Der einsame Baum - Covenant 05
Aufkeuchen des Entsetzens hervor. Rant Absolain beugte sich auf seinem Thron vor, biß sich auf die Lippen, als traue er seinen Sinnen nicht. Die Riesen wippten kaum merklich auf den Ballen ihrer Füße. »Rühr mich nicht an!« sagte Covenant hörbar und wie zu Brinns Unterstützung.
Kasreyn hob seinen goldenen Ring ans Auge. »Brinn von den Haruchai «, sagte er im Ton eines gelassen erteilten Befehls, »meine Künste dulden keine Zuschauer. So ich diesem Mann helfen soll, muß er mich allein begleiten!«
Brinn erwiderte seinen Monokel-Blick, ohne mit einer Wimper zu zucken. »Nichtsdestotrotz steht er unter meiner Obhut.« Seine Worte zeichneten sich durch die entschiedene Abweisung von Granit aus. »Ich weiche nicht von seiner Seite.«
Der Wesir erbleichte vor Wut und Verblüffung. Offenbar war er solchen Widerstand nicht gewohnt – und nicht darauf eingestellt, daß seine Suggestivkraft versagte. In Linden machte sich ein vages Unbehagen bemerkbar. Besorgnis begann ihre innere Ruhe zu stören, drängte sie zu wacherer Bewußtheit. Ein Schrei wollte sich ihrer Kehle entringen. Kasreyn wandte sich wieder an sie, belegte sie erneut mit dem Einfluß seines Willens. »Linden Avery, gebiete diesem Haruchai , Thomas Covenant in meine Obhut zu geben!«
Sofort war die Ruhe völlig wiederhergestellt. »Brinn«, sagte diese Ruhe durch Lindens Mund, »ich will, daß du Thomas Covenant dem Wesir überläßt.«
Brinn schaute herüber. In seinen Augen glommen Erinnerungen an Elemesnedene. »Das werde ich nicht tun«, entgegnete er unumwunden.
Der gesamte Hofstaat prallte zurück. Die Ordnung drohte zu schwinden, als etliche Höflinge den Rückzug zur Treppe antraten. Die Frauen des Gaddhi kauerten sich um den Thron und winselten um seinen Schutz. Kasreyn gab ihnen allen Grund zur Furcht. Jähzorn ließ sein Gesicht rötlich anlaufen. Seine Fäuste fuhren durch die Luft, schüttelten Drohungen. »Narr!« schnauzte er Brinn an. »Wenn du dich nicht unverzüglich fortscherst, werde ich den Wachen befehlen, dich auf der Stelle zu erschlagen!«
Noch ehe er den Satz beendet hatte, schritten die Riesen, Hergrom und Ceer auf Covenant zu. Aber Brinn brauchte ihre Unterstützung nicht. Zu rasch, als daß Kasreyn es hätte verhindern können, stellte er sich zwischen Covenant und den Wesir. »Solltest du einen solchen Befehl erteilen«, erwiderte er auf Kasreyns Wutausbruch, »wirst du sterben, ehe der erste Speer erhoben wird!«
Rant Absolain beobachtete das Geschehen mit einem Grauen, als müsse ihn gleich der Schlag treffen. Nun schickten auch die übrigen Höflinge sich an, aus dem Saal zu fliehen. Brinn blieb unnachgiebig. Drei Riesen und zwei andere Haruchai gaben ihm Rückhalt. Die sechs wirkten unbedingter kampfbereit als alle Hustin zusammengenommen. Einen Moment lang widerspiegelte Kasreyns Miene derartigen Grimm, als wolle er jedes Risiko eingehen, um Covenant in seinen Gewahrsam nehmen zu können. Doch dann setzte sich in ihm wieder jene Klugheit oder Listigkeit durch, der er seine gegenwärtige Machtposition und seine Langlebigkeit verdankte. Er trat einen Schritt zurück und bot alle Selbstbeherrschung auf. »Du mißverstehst mich.« Seine Stimme zitterte, aber mit jedem Wort klang sie wieder fester. »Dein Argwohn trifft mich unverdient. Diese Feindseligkeit steht dir übel, wie sie jedem Mann, jedem Weib übel stehen muß, dem des Gaddhi Gastfreundschaft gewährt worden ist. Doch ich beuge mich ihr. Es bleibt mein Wunsch, zu eurem Wohle zu wirken. Fürs erste jedoch ersuche ich euch für meinen unziemlichen Zorn um Vergebung. Mag sein, ihr werdet, wenn ihr des Gaddhi Wohlwollen genossen habt, auch die Lauterkeit meiner Absichten ersehen. Wenn ihr sie dann noch wünscht, werde ich euch gerne von neuem meine Hilfe anbieten.« Er sprach sachlich; aus seinen Augen jedoch war die Wut noch nicht gewichen. Ohne eine Antwort abzuwarten, deutete er eine Verbeugung in die Richtung des Throns an. »Mit deiner Erlaubnis, o Gaddhi «, sagte er gepreßt. Damit machte er auf dem Absatz kehrt und entfernte sich in den Schatten der Kanzel.
Für einen Moment verfolgte Rant Absolain den Abgang des verärgerten Wesirs voller Schadenfreude. Doch plötzlich kam ihm zum Bewußtsein, daß er nun mit den Leuten allein war, die Kasreyn von dem Wirbel getrotzt hatten – daß ihn nur noch seine Frauen und die Wächter schützten. Er rutschte vom Thron, drängte sich an seinen Meistgeliebten vorbei und eilte dem Wesir in solcher Hast
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