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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Auch der Caitiffin bezeugte seinen Respekt, blieb jedoch stehen. »Ihr erblickt Gaddhi Rant Absolain«, ließ er die Gefährten in behutsamem Flüsterton wissen. »Er wird begleitet von seinen Meistgeliebten, der Edlen Alif und der Edlen Benj. Ferner anderen Edlen, die kürzlich seine Meistgeliebten waren oder es in Kürze sein werden. Und des Gaddhi Wesir, der euch bereits bekannt ist.« Linden spähte zum Gaddhi hinauf. Trotz all des Prunks, der ihn umgab, trug er nur ein kurzes, schlichtes Gewand aus Samt, als wolle er klarstellen, daß seine Reichtümer ihn unbeeindruckt ließen. Aber das Kleidungsstück war so geschnitten, daß es seine Gestalt stolz betonte; seine Bewegungen deuteten Selbstgefälligkeit und Reizbarkeit an. Die Blicke der Bewunderung, mit denen seine Frauen ihn anhimmelten, nahm er mit zufriedenem Behagen auf. Linden bemerkte, daß sein Haar und das Gesicht mit Ölen und Schminke behandelt worden waren, um seine Jahre hinter einer Fassade jugendlicher Mannhaftigkeit zu verbergen. Wie ein Herrscher sah er nicht aus. Die Frauen, die ihn umringten – sowohl die Meistgeliebten wie auch die anderen –, waren ausnahmslos schön, und sie wären sogar reizvoll gewesen, hätte nicht ihr ständiges Mienenspiel des Bewunderns sie mit dem Gehabe von Geistlosigkeit belegt. Gekleidet waren sie wie Konkubinen. Ihre knappe, durchsichtige Bekleidung sprach unverhohlen die Sinnlichkeit an; Parfüm, Frisuren und Gestik ließen an nichts anderes Gedanken aufkommen als an Kopulation. Sie hatten auf die Bangigkeit, die unterm Hofstaat eine Dauererscheinung war, ihre eigene Antwort gefunden und spielten sie mit aller Anziehungskraft aus, über die sie verfügten. Mit vertraulichem Schmunzeln führte der Gaddhi seine Meistgeliebten und anderen Frauen, dichtauf gefolgt von Kasreyn, auf die Kanzel und erklomm seinen Sitz. Dort wirkte er nun recht stattlich. Die Formgebung des Throns sorgte dafür, daß er richtig königlich und souverän zu sein schien. Aber keinerlei Hilfsmittel konnten die Selbstzufriedenheit in seinen Augen verbergen. Sein Blick glich dem eines verwöhnten Kinds, bezeugte Überheblichkeit, hinter der keine Verdienste, keine wahre Macht standen.
    Für einen längeren Moment saß er nur da und schaute über die gemeinschaftliche Ehrenbekundung seines Hofstaats aus, genoß es sichtlich, wie sich so viele Männer und Frauen vor ihm erniedrigten. Vielleicht blendete ihn die Helligkeit; anscheinend bemerkte er nicht, daß Linden und ihre Begleiter es unterlassen hatten, auf die Knie zu sinken. Aber dann beugte er sich ganz langsam vor und stierte verkniffen ins Licht; und schließlich furchte Ärger sein Gesicht, offenbarte die Falten, die Salben und Schminke bislang übertüncht hatten. »Wesir!« schnauzte er ungehalten. »Wer sind diese Wahnwitzigen, die vor Rant Absolain, Gaddhi von Bhrathairealm und der Großen Wüste, das Knie zu beugen sich weigern?«
    »O Gaddhi! « Die Antwort des Wesirs klang geübt – und ein wenig sardonisch. »Sie sind die Riesen und Seefahrer, über welche wir soeben gesprochen haben. Wiewohl's ihnen an Kenntnis der Art und Weise abgeht, wie Gaddhi Rant Absolain von ihnen begrüßt werden sollte, sind sie hier, um die Gastfreundschaft anzunehmen, der du sie in solcher Großmut versichert hast, und dir dafür ihre tiefste Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, denn sie sind durch dich aus arger Unbill erlöst worden.« Während er redete, hielt er den Blick vielsagend auf die Gefährten gerichtet.
    Blankehans verstand ihn und reagierte darauf. Mit Gebärden wie ein Schmierenkomödiant trat er vor und fiel aufs Knie. »O Gaddhi «, sagte er laut und verständlich, »dein Wesir spricht die Wahrheit. Wir haben uns mit frohem Dank für dein überaus gastfreundschaftliches und heißersehntes Willkommen in unseren Herzen hier eingefunden. Vergib uns, daß es uns am Wissen um all die Ehrungen mangelt, die dir zustehen! Wir sind ein ungelehrtes Volk und wenig mit solchen Gepflogenheiten vertraut.« Unterdessen gab Rire Grist den übrigen Gefährten ein verstecktes Zeichen, drängte sie zur Nachahmung von Blankehans' Beispiel. Die Erste knurrte gedämpft in ihrer Kehle; dennoch sah sie die Notwendigkeit des Spielchens ein und kniete ebenfalls nieder. Das Bewußtsein, daß die Gefährten von wenigstens dreihundert Wächtern umgeben waren, verkrampfte ihr die Schultern. Seeträumer und Linden knieten sich gleichfalls hin. Aus Unruhe ging Lindens Atmung schwerfällig. Sie konnte sich

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