Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
es kein – Volksleben ist. – So bestreitet denn Carriere S. 10 sich selbst. »Die reine Menschlichkeit oder Menschheit kann nicht besser, als durch ein seine Mission erfüllendes Volk dargestellt werden«. Dadurch stellt sich ja nur die Volkstümlichkeit dar. »Die verschwommene Allgemeinheit ist niedriger, als die in sich geschlossene Gestalt, die ein Ganzes selber ist, und als lebendiges Glied des wahrhaft Allgemeinen, des Organisierten, lebt«. Es ist ja eben das Volk die »verschwommene Allgemeinheit«, und ein Mensch erst die »in sich geschlossene Gestalt«.
Das Unpersönliche dessen, was man »Volk, Nation« nennt, leuchtet auch daraus ein, daß ein Volk, welches sein Ich nach besten Kräften zur Erscheinung bringen will, den willenlosen Herrscher an seine Spitze stellt. Es befindet sich in der Alternative, entweder einem Fürsten unterworfen zu sein, der nur sich , sein individuelles Belieben verwirklicht – dann erkennt es an dem »absoluten Herrn« nicht den eigenen, den sogenannten Volkswillen –, oder einen Fürsten auf den Thron zu setzen, der keinen eigenen Willen geltend macht – dann hat es einen willenlosen Fürsten, dessen Stelle ein wohlberechnetes Uhrwerk vielleicht ebenso gut versähe –. Deshalb darf die Einsicht nur einen Schritt weiter gehen, so ergibt sich von selber, daß das Volks-Ich eine unpersönliche, »geistige« Macht sei, das – Gesetz. Das Ich des Volkes, dies folgt daraus, ist ein – Spuk, nicht ein Ich. Ich bin nur dadurch Ich, daß Ich Mich mache, d. h. daß nicht ein Anderer Mich macht, sondern Ich mein eigen Werk sein muß. Wie aber ist es mit jenem Volks-Ich? Der Zufall spielt es dem Volke in die Hand, der Zufall gibt ihm diesen oder jenen gebornen Herrn, Zufälligkeiten verschaffen ihm den gewählten; er ist nicht sein, des » souveränen «Volkes, Produkt, wie Ich mein Produkt bin. Denke Dir, man wollte Dir einreden, Du wärest nicht dein Ich, sondern Hans oder Kunz wäre dein Ich! So aber geht's dem Volke, und ihm mit Recht. Denn das Volk hat so wenig ein Ich, als die elf Planeten zusammengerechnet ein Ich haben, obwohl sie sich um einen gemeinsamen Mittelpunkt wälzen.
Bezeichnend ist die Äußerung Baillys für die Sklavengesinnung, welche man vor dem souveränen Volke, wie vor dem Fürsten hat. »Ich habe, sagt er, keine Extravernunft mehr, wenn die allgemeine Vernunft sich ausgesprochen. Mein erstes Gesetz war der Wille der Nation: sobald sie sich versammelt hatte, habe ich nichts weiter gekannt, als ihren souveränen Willen.« Er will keine »Extravernunft« haben, und doch leistet allein diese Extravernunft Alles. Ebenso eifert Mirabeau in den Worten: »Keine Macht auf Erden hat das Recht, zu den Repräsentanten der Nation zu sagen: Ich will!«
Wie bei den Griechen möchte man den Menschen jetzt zu einem zoon politikon machen, einem Staatsbürger oder politischen Menschen. So galt er lange Zeit als »Himmelsbürger«. Der Grieche wurde aber mit seinem Staate zugleich entwürdigt, der Himmelsbürger wird es mit dem Himmel; Wir hingegen wollen nicht mit dem Volke , der Nation und Nationalität zugleich untergehen, wollen nicht bloß politische Menschen oder Politiker sein. »Volksbeglückung« strebt man seit der Revolution an, und indem man das Volk glücklich, groß u. dergl. macht, macht man Uns unglücklich: Volksglück ist – mein Unglück.
Welch' leeres Gerede die politischen Liberalen mit emphatischem Anstande machen, das sieht man wieder recht in Nauwerk's »Über die Teilnahme am Staate«. Da wird über die Gleichgültigen und Teilnahmlosen geklagt, die nicht im vollen Sinne Staatsbürger seien, und der Verfasser spricht so, als könne man gar nicht Mensch sein, wenn man sich nicht lebendig am Staatswesen beteilige, d. h. wenn man nicht Politiker sei. Darin hat er Recht; denn wenn der Staat für den Hüter alles »Menschlichen« gilt, so können Wir nichts Menschliches haben, ohne an ihm Teil zu nehmen. Was ist aber damit gegen den Egoisten gesagt? Gar nichts, weil der Egoist sich selbst der Hüter des Menschlichen ist und mit dem Staate nur die Worte spricht: Geh' Mir aus der Sonne. Nur wenn der Staat mit seiner Eigenheit in Berührung kommt, nimmt der Egoist ein tätiges Interesse an ihm. Wenn den Stubengelehrten der Zustand des Staates nicht drückt, soll er sich mit ihm befassen, weil es seine »heiligste Pflicht« ist? Solange der Staat es ihm nach Wunsche macht, was braucht er da von seinen Studien aufzusehen? Mögen doch diejenigen, welche
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