Der eiserne Wald
eine Tür wurde zugeschlagen. Schritte hallten durch die Dunkelheit. Der Junge musste sie ebenfalls gehört haben, denn er huschte davon und war gerade in der Nacht verschwunden, als Crow auftauchte. Der Wächter trug Kopfhörer und hatte sich eine große Plastiksonnenbrille in die Dreadlocks geschoben.
»Was machst du, kleiner Mann?« Crow holte die Kopfhörer aus seinen Ohren.
»Gar nichts.«
»Baust du gerade?«
»Im Dunkeln kann man nicht bauen, Blitzmerker.«
Crow grinste. Er hatte große, weiße Zähne. Dann schlenderte er davon. Ich blieb allein zurück und wünschte mir, ich hätte mir jemand anderen suchen können, für den ich baute. Aber Frost hatte mir Mais gegeben und meinen Wagen betankt, also war ich nun das Eigentum dieses Mistkerls, bis die Arbeit abgeschlossen war.
Ich suchte ein neues Versteck für das Buch und schob es schließlich hinter den Popcornvorrat. Denn es gibt nicht mehr viele Bücher dieser Art. Die Leute haben sie fast alle verbrannt, um es während der Großen Dunkelheit warm zu haben. Und nach der Großen Dunkelheit gab es keine neuen Bücher, weil es kein Papier mehr gab.
Die Heuschrecken waren gekommen.
Und es gab keine Bäume mehr.
Kapitel 2
D er Typ vom Schrotthof machte mir einen guten Preis für das Metall, weil er meinen Dad gekannt hatte. »Der beste Baummeister der Steel Cities«, sagte der Mann und schielte mich mit seinem Glasauge eindringlich an.
»Das Kompliment hätte ihm gefallen.«
»Ich habe ihn gewarnt. Habe ihm das gesagt, was ich jedem sage – gibt keinen Grund, Richtung Westen zu gehen.« Er kaute auf seiner Unterlippe. »Überhaupt keinen.«
»Er dachte, wir würden dort Arbeit finden.«
»Habt ihr es überhaupt bis nach Vega geschafft?«
»Fast.«
Wir hatten Electric City schon in der Ferne gesehen, und am nächsten Tag wären Pa und ich auch dort angekommen. Aber mitten in der Nacht war ich aufgewacht, weil Pa mir eine Hand aufs Gesicht gedrückt und gesagt hatte, er hätte Stimmen gehört. Er befahl mir, mich nicht vom Fleck zu rühren. Bloß im Wagen zu bleiben und nicht rauszukommen.
»Es gab einen Sandsturm«, erklärte ich. »Und draußen haben uns irgendwelche Typen aufgelauert.«
»Und die haben deinen Dad dann mitgenommen.«
Ich nickte.
Der Mann rieb sich das Glasauge und starrte mit sorgenvoller, mitleidiger Miene auf die Haufen aus Altmetall und Plastik. »Angeblich gibt es Sklavenhändler da draußen. Habe gehört, die entführen immer wieder Leute. Machen dann Geschäfte mit der Bergungsinnung.«
»Könnte sein«, nickte ich. Früher hatte ich geglaubt, die Märchen von angeblich Entführten dienten nur zur Abschreckung, damit man nicht einfach herumwanderte. Es gab bestimmt ein Dutzend Geschichten über das, was mit denen passiert war, die vermisst wurden. Die verschwunden und niemals zurückgekommen waren. Aber das mit den Sklavenhändlern, das erschien mir gar nicht so unwahrscheinlich. Deshalb hatte ich schließlich jeden Bergungstrupp in den Steel Cities überprüft, von Norden bis Süden alles durch, hatte aber weder Pas Gesicht entdeckt noch einen Truppführer gefunden, der ihn gesehen hätte.
»Andere behaupten, es wären irgendwelche Freaks aus Vega«, fuhr der Einäugige fort, und mein Magen verkrampfte sich. Die Version hatte ich auch schon gehört. Die Geschichte vom Fleischhandel. Es wächst nichts mehr außer Mais, und es lebt nichts mehr außer den Menschen, da könnte schon einer krank genug sein, die Speisekarte etwas umzustellen.
»Ganz ehrlich?« Ich versuchte, die Ruhe zu bewahren. »Ich möchte mir gar nicht vorstellen, dass mein alter Herr bei jemandem auf dem Teller gelandet sein könnte.«
Sofort musste ich daran denken, wie ich schwitzend, zitternd und verängstigt hinten im Wagen gesessen hatte. Nachdem der rote Staub sich gelegt hatte, war nichts mehr zu sehen gewesen. Und jetzt gab es keinen Ort mehr, an dem ich noch suchen konnte. Es war fast ein Jahr vergangen.
»Sie kommen nie wieder zurück, alles andere ist unwichtig.« Ich beugte mich zur Seite und spuckte auf den Boden. »Wenn man entführt wird, ist man doch schon so gut wie tot.«
Der Mann musterte mich mit seinem gesunden Auge. »Wende deinen Wagen, Junge«, befahl er mir und drehte sich weg. »Wir laden das Zeug ein.«
Ich musste sechs Mal fahren, um das gesamte Metall zu transportieren, und unterwegs musste ich zwei Stürme abwarten – unberechenbare Winde wirbelten den Dreck zu Staubwolken auf, die den Himmel verdunkelten. Bei
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