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Der elektrische Kuss - Roman

Titel: Der elektrische Kuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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das Land wieder zu kultivieren. Jedenfalls hatten der Großvater, seine Frau und die neun Kinder das Dornengestrüpp mit der Sichel schneiden und im ersten Jahr von Wurzeln, Spelzbrei und Nüssen leben müssen.
    Samuel kniete sich auf die nebelnasse Erde.
    »Schau, Uri, gerade richtig.« Langsam und bedächtig zerrieb er ein paar rotbraune Krumen zwischen den Fingern. »Trocken, sicher, weil es nach dem großen Gewitter einen Monat überhaupt nicht mehr geregnet hat. Aber eben nicht zu trocken. Tagsüber ist es ja noch recht warm, da steigt die Feuchtigkeit vom Wald da drüben auf und legt sich nachts, wenn es kalt wird, wie ein nasses Tuch auf das Feld.«
    »Du meinst, das Pflügen wird heute besser gehen als im Frühjahr vor zwei Jahren, als wir meinten, der Boden wäre aus Eisen?«
    »Ganz sicher, Uri. Du wirst sehen, die Erde lässt sich teilen wie die rösche Rinde eines frisch gebackenen Brotlaibs, in den die Bäuerin mit dem Messer reinfährt.«
    »Und du willst wirklich auch hier Klee …«
    »Ja!«
    Barscher, als es sonst seine Art war, schnitt Samuel seinem Knecht das Wort ab.
    Die Herbstsonne kroch bis Mittag vollends heraus und wärmte den beiden den Rücken. Und auch, wenn sie ihnen auf dem Weg zurück direkt ins Gesicht schien, genossen sie sie. Stunde für Stunde ging Samuel hinter Älbli und dem Braunen her und lenkte den Pflug, sodass die Furchen unbeirrt gerade und tief genug, aber auf keinen Fall zu tief gezogen wurden. Er befand sich jetzt im wortlosen Gebet. Nahe bei Abraham und den Urvätern, die ihn, so hatte er das Gefühl, beobachteten und prüften, ob er ein würdiger Nachfolger war. Denn, auch diese Gewissheit zweifelte er nie an, die Täufer waren das neue auserwählte Volk.
    Es war das erste Mal seit Monaten, dass er wieder pflügte und seine Arme stundenlang in eine bestimmte Haltung zwang. Irgendwann fingen seine Schultern an zu brennen, und ein bekannter, aber trotzdem wieder scharfer Schmerz stach von Zeit zu Zeit in seinen Rücken. Samuel leckte sich mit der Zunge den Schweiß von der Oberlippe, und sein Herz sang ein Lied, das sich mit dem Schnauben und Keuchen der Pferde mischte. Je mehr von diesen Furchen er zog, die sich wie gespannte Schnüre nebeneinanderlegten, desto geringer, so fühlte er, wurde der Abstand zwischen den biblischen Zeiten und dem Jahr 1751, dem Land Kanaan und diesem Feld in der nördlichen Pfalz.
    Na schön. Er würde auch hier auf dem kargen Weiherfeld, das am weitesten vom Hof entfernt lag und das auch nach mehrjähriger Brache immer weniger Hafer hervorgebracht hatte, Klee anbauen. Klee, so behaupteten die holländischen Brüder, glich einem genügsamen und fleißigen amischen Mädchen. Natürlich musste er gleich im Frühjahr Körbe mit Bienen aufstellen. Er hatte schon viel zu viel Geld für neuen Samen ausgegeben und aus Holland, wo die Nachfrage danach stieg und stieg, gehört, dass dort schon gefärbter Sand beigemischt wurde. In der Welt draußen gab es viele Betrüger.
    Eine Windböe fuhr in die Hecken und die Mähnen der Pferde, und Samuel Hochstettler musste seinen Hut wieder einmal festhalten und noch tiefer ins Gesicht ziehen, damit er ihm nicht fortflog. In den Ämtern würden sie, wenn sie vom Klee erfuhren, wahrscheinlich wieder die Münder spitzen und überlegen, ob der Täufer Hochstettler nicht doch eine Gefahr für die Ordnung bedeutete. Wer keine Soldaten stellte und ums Verrecken keinen Eid auf den Kurfürsten ableisten wollte, der war prinzipiell verdächtig. Die anderen Bauern traktierten ihn eh schon, wenn sie einander begegneten, mit ihren vorwurfsvollen Blicken, hinter denen nichts als der blanke Neid steckte. Daran war er gewohnt. Deshalb musste man sich auch absondern, wenn man ein Leben in der Nachfolge des Heilands führen wollte.
    Deshalb musste auch der Klee sein. Ein Zusammenhang, der ihm selbst allerdings nicht ganz logisch vorkam. Leider gab es keine einzige Bibelstelle, die von Klee handelte. Samuel blieb stehen, sodass Uri aus dem Tritt kam. Woraufhin Älbli und der Braune ein wenig ausscherten und die Furche einen Schlenker nach links machte. Mit einer Ruhe, die andere gelegentlich zornig machte, zog Samuel sein Schnupftuch aus dem Inneren seiner Jacke, schnäuzte und putzte sich ebenso gründlich, wie er auch sonst alles tat, die Nase. Auch Reinlichkeit war Pflicht für einen wahren Christenmenschen. Schließlich hatte Jesus eigenhändig den Aposteln beim Abendmahl die Füße gewaschen.
    Dass Uri nicht bei der Sache

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