Der Engel Der Kurie
»War es früher der Schwarzstrumpfige, geht heute ein ganz anderer mit seiner Cantarella umher und läßt so manchen zittern. Ich will nicht so grausam enden wie diejenigen, die so ein Teufelsgebräu getrunken haben.«
»Woher weißt du, wie ihr Ende aussieht?«
»Zweimal habe ich es gesehen, und auch bei Garilliati … dieser arme Hund … Wenn ich gewußt hätte …« Erschrocken hielt er inne.
»Wenn du was gewußt hättest?« fragte Jakob drohend nach.
Lucini schwieg einen Moment, dann seufzte er, als würde er sich in sein Schicksal fügen. »Es hätte nicht diesen Hund treffen dürfen. Wie konntet Ihr nur dabei zuschauen?«
»Du hast mich beobachtet?«
»Natürlich. Dafür war ich da; ich mußte einen Botendienst tun und sollte später dem Monsignore Trippa einen Bericht erstatten.«
»Weiter – erzähle!«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich brachte einem der Lakaien ein Päckchen; außerdem sollte ich Bischof Frangipane im Auge behalten, wenn er das Fest verließ. Das war alles.«
Jakob nickte; mehr mußte er gar nicht wissen. Er belehrte den Kopisten, über diese Unterredung vollkommenes Stillschweigen zu bewahren, und verließ die Kanzlei. Auf seinem Weg hinaus achtete er sorgsam darauf, möglichst nicht gesehen zu werden, und als er auf der Straße war, begab er sich sofort zu Frangipane. Mochte der Bischof selbst entscheiden, wie er mit den gewonnenen Erkenntnissen umgehen wollte.
Doch Frangipane war nicht zu Hause. »Er hat das Pferd genommen«, erklärte der mürrische Diener, und als Jakob besorgte Andeutungen machte, er habe eine wichtige Nachricht für die Verbündeten der Colonna, verriet der Diener, daß sich Frangipane bereits auf dem Weg nach Bracciano befinde, um Napoleone Orsini vor einer drohenden Gefahr zu warnen.
Jakob gab sich erleichtert und dankte dem Diener. Wie eilig es der gute Frangipane plötzlich hatte; die Angst vor einer Entdeckung trieb ihn, und da würde er bald den nächsten Fehler begehen.
Gemächlich schlenderte Jakob aus dem Borgo hinaus. Er wollte sich mit Serena und den Jungen treffen und mit ihnen über ihre Zukunft sprechen; dies sah er als seine letzte Aufgabe an, die er in Rom zu bewältigen hatte. Danach könnte er getrost nach Bayern zurückkehren. Auf einmal mußte er an die Zeit denken, als er im Alter von Cesare ins Dominikanerkloster in München eingetreten war. Das Leben hatte einen festen Ablauf gehabt, bestimmt durch die Andachten, welche den Tag gliederten, die Stunden in der Lateinschule und durch die Arbeit im Garten oder in der Küche. Von Montag bis Samstag glich ein Tag dem anderen, doch kam keine Langeweile auf, vielmehr vergingen die Tage im Nu, denn im Rhythmus der Pflichten gab es keine sinnlose Zeitvergeudung; und schon war wieder Sonntag mit Hochamt und großer Predigt. Auch die Stunden im Skriptorium hatte Jakob genossen und mit Freude gelernt, die Anfangsbuchstaben neuer Kapitel mit Farbe und Blattgold zu verzieren, bis sie wahre Kunstwerke waren. Auch Cesare und seinen Freunden sollte ein erfülltes Leben ermöglicht werden. Noch kein einziges Mal hatten sie ihre Lebensumstände bejammert, sich allenfalls darüber beklagt, daß es nicht einfach war, einen trockenen und warmen Schlafplatz zu finden. Ich werde eine Lösung für sie finden müssen, bevor ich wieder gehe, dachte Jakob.
Als er bei ihrem Versteck am Monte Celio ankam und den vereinbarten Pfiff ausstieß, blieb alles ruhig. Offenbar waren die Jungen in der Stadt unterwegs. Jakob lief auf den Palatin und setzte sich auf seinen Aussichtsplatz, wo er seinen Gedanken nachhing, bis sich die Dämmerung über die Stadt legte. Langsam stieg er den Hügel hinab und grüßte unterhalb des Kapitols zwei Gelehrte der Akademie, die sich mit Inschriften abmühten.
In den Straßen wurden die ersten Fackeln angezündet, und in all der Betriebsamkeit mußte man nun sogar im Habit der Dominikaner auf der Hut sein. Jakob näherte sich der Engelsbrücke, die kahl und schmucklos auf das Castel Sant' Angelo zuführte, das, von vielen Feuern erleuchtet, über dem Tiber thronte, als besäße die Burg selbst Macht und nicht nur ihr Hausherr Papst Clemens. Fackeln und Feuer warfen ihren Glanz hinauf auf das mächtige Rund Fladrians, und oben loderte ein Scheiterhaufen, als stünde der Stern von Bethlehem über der Engelsburg.
Die Schatten, die sich plötzlich neben ihm aufbäumten, bemerkte Jakob erst, als ein heißer Schmerz seine Brust durchzuckte. Ein Röcheln entrang sich seiner
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