Der Engel Der Kurie
vielleicht bei Handwerkern unterkommen, aber Serena? Es gab wenig Möglichkeiten für Frauen außer der Ehe, für die sie zu jung war, und dem Kloster, wohin es Serena nicht zog. Jakob nahm sich vor, bald mit ihr darüber zu sprechen, und zugleich reifte in ihm der Entschluß, Garilliati nichts mehr von den Goldscudi zurückzugeben; mochte Ambrogio Farnese zusehen, wie er dem Bankier das Geld zurückzahlte.
Ambrogio Farnese empfing Jakob mit düsterer Miene in einem schmalen Raum auf der Gartenseite des Hauses. Neben dem Fenster stand ein großes Schreibpult, wie es Jakob aus dem Skriptorium seines Münchner Klosters kannte, und entlang einer Wand waren vom Boden bis zur Decke Regale angefüllt mit alten Folianten. Davor fanden sich ein niedriger Tisch und zwei Schemel, die wenig einladend wirkten; hier wurden geschäftliche Dinge besprochen, hier war nicht der Ort für Gastlichkeit.
»Gern hätte ich dich in die Geheimnisse des römischen Weines eingeführt und dir von meinem Cecubo zu kosten gegeben, den schon die Alten zu loben wußten. Er ist ein besonderer Wein, mit dem wir Römer auf gelungene Taten anstoßen.« Ambrogios dunkle Augen fixierten Jakob, und dabei streckte er sich, so daß sein schmächtiger Körper kräftiger und größer wirkte. Durch und durch Aristokrat, war er von seiner äußeren Erscheinung her Jakob sympathisch wie am ersten Tag; aber sein Verhalten war durchtrieben, und Jakob verstand längst, warum ihn viele als einen alten Fuchs bezeichneten. Auch nun, während er drohend schwieg, lauerte er auf die geringste Blöße, die sich sein Gegenüber geben mochte.
Doch Jakob erwiderte Ambrogios Blick gelassen; er lächelte nicht und verzichtete darauf, sein unschuldiges Gesicht aufzusetzen. Das Entscheidende hatte er bereits dem Kanzler gesagt, und darüber war Ambrogio offensichtlich informiert. Jakob war neugierig, wie es Ambrogio versuchen würde, ihn umzustimmen.
»Antonia, deine Tischnachbarin, starb grausam«, ergriff Ambrogio wieder das Wort. »Der Täter ist nicht gefaßt. Ennea jedenfalls, so berichtet mir der Governatore, hat sie nicht getötet.«
Also hat Claudia recht, dachte Jakob und war lediglich überrascht, mit wie wenig Umschweife Farnese seine Drohung in den Raum stellte.
»Du warst der letzte Mann, mit welchem Antonia gesehen wurde. Garilliati legt jeden Eid darauf ab, daß du mit der Hure das Bordell der Sybille verlassen hast; er hat auch einen Freund, einen Wachmann vom Palazzo Colonna, der sich bereit erklärt hat, zu bezeugen, wie du dich im Halbdunkel des Parks über sie gebeugt und auf sie eingestochen hast. Deutlich konnte dieser … Nunez alles sehen. Du hast doch gewußt, daß dieser Nunez ein Freund des Bankiers ist; er würde nie etwas anderes aussagen als das, was ihm Garilliati nahelegt.«
Wieder schwieg Ambrogio lange und beobachtete die Wirkung seiner Worte. Er schien nicht zufrieden zu sein.
»Du bleibst so gelassen, mein Freund? Meinst du, es könnte dir noch einmal gelingen, mich im entscheidenden Augenblick eines Offiziers zu berauben? Kein Schachspiel gleicht dem anderen; deine Hoffnung ist trügerisch. – Der Governatore wird sich mit zwei Aussagen begnügen, und ich bin sicher, wenn du im Corte Savella unter der Decke hängst, gestehst du gern.«
»Wie habt Ihr das eingefädelt?« fragte Jakob leise.
»Ich habe für solche Angelegenheiten einen guten Mann, der mußte nur warten, bis die Hure aus dem Haus kam. Innen bestellte Garilliati das Feld; er sorgte dafür, daß dein Wein besonders bekömmlich war und dich sehr müde machte, er schickte Nunez mit der Hure hinaus. Wir wissen alle, was für ein Feigling er ist. Und mein Mann hatte zuvor Gelegenheit, die Leiche der letzten Hure zu studieren. Nichts blieb dem Zufall überlassen.«
»Ihr seid also auch ein Mörder«, bemerkte Jakob. Er blickte Ambrogio ruhig an. »Was habt Ihr nun vor?«
»Ich sagte es bereits: Wenn du nicht gegen Casale zeugst, werde ich beim Governatore Anklage gegen dich erheben.«
Jakob nickte und trat an das Fenster. Der Garten war winterlich kahl. Den Himmel bedeckten graue Wolken; bald würde es regnen. Jakob blickte hinaus und schwieg. Durch seinen Kopf geisterten hundert Gedanken und Bilder; seine Mutter sah er und Abt Anselm, Eberhard grüßte voller Schmerzen aus Ingolstädter Vergangenheit und mit ihrem verführerischen Liebreiz Hildegard, dann waren da Serena und Cesare, Luigi und Claudia, immer wieder Claudia. Ein heißes Brennen fuhr Jakob in die Brust,
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