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Der Erdrutsch (German Edition)

Der Erdrutsch (German Edition)

Titel: Der Erdrutsch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer
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1. Kapitel
    Ein dumpfer Knall erschütterte den Berg. Nicht laut, aber in den
oberen Regionen doch deutlich zu hören. Eine Erschütterung, gefolgt
von einer Druckwelle. Schmerz in den Ohren. Danach die langsame
Bewegung nach unten. Der Hang löste sich in Zeitlupe. Steine, Erde,
Felsen flossen wie Wasser den Berg hinab. Dabei nahm die Masse auf
dem Weg alles mit, was ihr in die Quere kam. Es hatte in den letzten
Wochen nicht geregnet. Der Boden war ausgetrocknet. Die Erde
zerbröselte bei jeder Berührung, sie konnte durch nichts
aufgehalten werden. Wenige Bäume stellten sich dem Strom in den Weg,
boten keinen Widerstand. Die Abwärtsbewegung wurde immer reißender.
Erst ein Grummeln, das nach und nach anschwoll. Die Erde bebte sacht.
Eine Staubwolke. Die Bewegung wurde bedrohlicher. Der gesamte Berg
vibrierte. Vögel stoben auseinander, Warnrufe ausstoßend. Eine
gurgelnde Masse aus Geröll, gemischt mit Erde und Baumstämmen,
wälzte sich den Berg hinab. Sie begrub alles unter sich und bewegte
sich auf den Hof zu. Zuerst trafen einzelne Steine und Felsbrocken
das Dach. Sie durchschlugen ein Fenster, dann zwei, drei. Danach kam
die Welle. Mit unglaublicher Wucht prallten die Geröllmassen auf die
Gebäude. Felsen und Erde stürzten herab. Sie schossen an dem Haus
vorbei. Ein Holzschuppen wurde niedergerissen. Das Hauptgebäude gab
nach. Es rutschte mit einer leichten Linksdrehung den Berg hinab und
stürzte in sich zusammen. Ein Quietschen und Kreischen. Das Getöse
war ohrenbetäubend. Etwa hundert Meter rutschten die Trümmer des
Hauses den Hang hinab, dann kam alles zum Stehen. Der Strom beruhigte
sich, das Haus hatte genügend Widerstand geleistet. Bei den Bäumen
unterhalb der Pension war die Lawine zum Stillstand gekommen. Dort,
wo sich vorher noch das Haus und ein Parkplatz mit den Autos befunden
hatten, lagen jetzt nur noch Trümmer und Geröll. Eine gewaltige
Staubwolke erhob sich und verdunkelte die Sonne. Drei Gestalten
beobachteten das Spektakel aus sicherer Entfernung. Dann wurde es
still.

2. Kapitel
    Johan saß mit Nils an einem der weißen Tische, ganz vorne in der
Klasse, mit dem Rücken zum milchigen Fenster, das sich nur einen
Spalt weit kippen ließ. Das Gebäude im Norden der Stadt war in den
siebziger Jahren gebaut worden: Grau verfärbter Beton, die Fenster
nie ausgetauscht, der Fußboden ausgelegt mit einem ekeligen dunklen
Teppich, der sich schon lange nicht mehr vernünftig reinigen ließ.
Etwa 25 Mitschüler saßen an den anderen Tischen. Sie waren alle in
seinem Alter, also 14, 15 Jahre alt. An den Wänden hingen Poster von
Popstars und Schauspielern.
    „ Ich
treffe mich heute Abend mit den anderen am Brunnen. Bist du dabei?“
Nils bemühte sich zu flüstern. Aber ihr Geschichtslehrer wusste,
auf wen er zu achten hatte.
    „ Nils,
was gibt es denn da zu tuscheln? Wenn du dich schon die ganze Zeit
mit anderen Dingen beschäftigst, dann halte bitte nicht auch noch
Johan vom Unterricht ab.“ Die Bemerkung ärgerte Johan. Er guckte
auf den Block vor sich und malte Strichmännchen darauf.
    „ Aber
ich habe doch gar nichts gemacht. Ich habe Johan nur gefragt, wie das
Misstrauensvotum im Bundestag funktioniert.“
    „ Na,
dann sag mir doch mal, was er dir geantwortet hat.“
    „ Na,
die Antwort habe ich ja noch nicht bekommen, weil Sie uns
unterbrochen haben.“ Breit grinsend saß er neben Johan und blickte
den Lehrer an.
    „ Nun,
dann muss ich mich wohl an deinen Nachbarn wenden. Johan, erklär´
Nils doch bitte, wie die Vertrauensfrage abläuft.“
    Am liebsten wäre Johan im Boden versunken. Aus den Augenwinkeln
konnte er die anderen grinsen sehen. Vor allem Johannes, sein größter
Feind, grinste breit. Als es klingelte, blieb Johan zunächst sitzen.
Nils sprang sofort auf und rannte aus dem Raum. Der Lärmpegel stieg
und Johan musste pinkeln. Also stand auch er langsam auf. Vor der
Toilette traf er Nils.
    „ Also,
was ist mit heute Abend?“ fragte er.
    „ Ich
verstehe nicht, warum der uns immer miteinander vergleicht, der Typ
ist ein Idiot!“
    „ Ach,
vergiss es. Du kannst ja nichts dafür. Was ist mit heute Abend?“
    „ Aber
du kannst dir keine weitere Fünf erlauben. Sonst bleibst du im
Sommer hängen.“
    „ Der
Sommer ist noch weit weg. Darum kümmere ich mich doch heute noch
nicht. Also, wir treffen uns um sieben am Brunnen. Ich geh jetzt mal
raus. Bis gleich.“
    Weg war er. Johan fiel wieder ein, dass er aufs Klo musste. Er ging
zu den Toiletten, holte noch einmal

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