Der Erdrutsch (German Edition)
tief Luft, öffnete die Tür und
trat in den verrauchten Raum. Vier Jungs blickten ihn an und atmeten
erleichtert auf, als sie Johan erkannten. Johannes war einer von
ihnen.
„ Ach
nee, der kleine Johan. Hat dir Nils schon den Kopf zurecht gesetzt?“
Johan ignorierte den Kommentar und ging auf eine der Kabinen zu,
öffnete die vollgeschmierte Tür, trat ein und schloss sie hinter
sich. Abschließen konnte er nicht, das Schloss war schon seit langem
kaputt.
„ Hast
dich wieder ganz schön eingeschleimt vorhin. Wenn ich Nils wäre,
dann würde ich dich nach der Schule abpassen und dir die Meinung
sagen. Aber Nils verzeiht dir ja alles.“
Johan war fertig, zog den Reißverschluss seiner Jeans hoch und
versuchte, die Tür zu öffnen. Sie ließ sich nicht bewegen. Jemand
lehnte von der anderen Seite dagegen. Er hörte die anderen lachen.
Wie sehr er sich nach den Ferien sehnte. Zwei Wochen lang würde er
Ruhe haben. Zwei Wochen lang immer dann aufs Klo gehen können, wenn
er es wollte.
„ Ich
glaube, Nils ist in dich verknallt.“
Jetzt brachen die Jungs vor seiner Tür in schallendes Gelächter
aus. Johan lehnte sich an die Klowand. Jeder Zentimeter war mit
Sprüchen vollgeschrieben. Obszöne Zeichnungen befanden sich
dazwischen. Irgendwo hatte er auch einmal seinen Namen entdeckt.
Mittlerweile war ihm das egal. Er konnte es eh nicht ändern.
„ Was
machst du eigentlich da drinnen?“ Die Tür öffnete sich einen
Spalt weit. Johan überlegte kurz, ob er die Gelegenheit nutzen und
seinen Fuß in den Zwischenraum schieben sollte, ließ es dann aber
bleiben.
„ Sollen
wir dich wieder raus lassen?“
Er wusste, dass die Frage nicht ernst gemeint war. Er sagte nichts,
er blickte einfach an die gegenüberliegende Wand und zählte die
Sekunden. Nur noch ein paar Tage, dann würde er mit seinen Eltern
wegfahren. Die Tür ging noch weiter auf. Die vier schauten ihn an.
„ Der
sieht ja aus, als hätte er gar keine Angst.“ Johannes trat langsam
in die enge Kabine. Er drängte Johan in die Ecke. Er roch unangenehm
nach Rauch, Chips und Cola. Johan bemühte sich, flach zu atmen. Er
blickte Johannes zwischen die Augen.
„ Na,
Kleiner, machst du dich über uns lustig?“
Johan konnte nichts tun, außer abzuwarten und zu hoffen, dass die
Pausenklingel Mitleid mit ihm haben würde. Johannes drückte seine
nach Zigaretten stinkende Hand auf Johans Wange. Er presste seinen
Kopf an die Wand. Johan hatte Schwierigkeiten, aufrecht stehen zu
bleiben, denn die Kloschüssel befand sich nun direkt unter ihm.
Übelkeit stieg seinen Hals hoch.
„ Du
solltest eigentlich ein bisschen mehr Angst vor uns haben. Wir können
nämlich auch ganz anders.“ Johannes verstärkte den Druck. Mit der
anderen Hand griff er Johan in den Schritt. Er drückte zu. „Du
bist ein Weichei.“
Johan durchzuckte ein stechender Schmerz. Er kämpfte gegen die
Tränen. Nur jetzt nicht heulen. Das würde alles nur noch schlimmer
machen. Er schluckte seine Wut runter. Hinter Johannes konnte er die
Gesichter der anderen Jungs erkennen, die ihn hämisch angrinsten.
Die Tür zum Flur öffnete sich, jemand kam herein. Johannes ließ
ihn abrupt los. Er wich ein wenig zurück. Johan guckte ihm in die
Augen, konzentrierte sich auf die Pupillen. Ein letztes Mal schnellte
Johannes´ Hand vor und stoppte kurz vor Johans Magen. Johan zuckte
zusammen. Johannes grinste. Vier zufriedene Jungs verließen das Klo.
Johan wartete noch einen Moment, bis er sicher war, dass sie gegangen
waren. Auf dem Flur wollte er ihnen nicht noch mal begegnen. Die
Übelkeit verzog sich langsam. Er kam aus der Kabine und stand einem
etwas älteren Schüler gegenüber. Johan ließ kaltes Wasser über
seine Handgelenke laufen. Dann spielte er mit dem Gedanken, einfach
nicht mehr in den Unterricht zurück zu gehen. Der andere sah ihn
nachdenklich an. Johan hatte ihn schon ein paar mal gesehen, aber nie
mit ihm gesprochen. Wie hieß er noch? Stefan? ja.
„ Ist
alles in Ordnung mit dir?“, wollte Stefan wissen.
„ Ja,
alles bestens.“
„ Haben
die dich in die Zange genommen?“
„ Wer?“
„ Die
Jungs, die hier gerade rausgestürmt sind.“
Johan stellt das Wasser ab.
„ Das
ist doch nicht das erste Mal, dass ich das beobachte. Du musst dich
irgendwann wehren.“ Stefan betrachtete Johan eine Weile. „Lass
uns die Tage mal ein Eis essen gehen. Dann erzähle ich dir, wie ich
das gemacht habe. Ok?“
Johan nickte, trocknete sich die Hände ab und ging zurück in
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