Der erotische Fremde
Gelegenheit zu finden, um mit mir zu sprechen", erwiderte Harry. „Und als wir dann ganz unerwartet aus dem Zug geworfen wurden, ist er be stimmt auch ausgestiegen ... Wenn ich es mir recht überlege, war es schon ein bisschen zu viel Zufall, dass er den Wagen mit offenen Türen und laufendem Motor stehen gelassen hat, mit der Rose auf dem Rücksitz. Nun, wir stehen in Ramiz' Schuld. Und nicht nur in seiner. Wir werden für die Leute, die Mariel und mir geholfen haben, einen kleinen Empfang im Palast veranstalten, wenn du, insha'Allah, ihn wieder bewohnst."
„Mariel ist auch an Bord?"
„Ja. Sie gehört zu dem großen Kreis derer, die sehr glücklich sein werden, wenn Ghasib verschwunden ist. Er ist durch einen Mittelsmann in die Datenbank ihres Cousins eingedrungen und spioniert dessen technische Errungenschaften aus."
Ashraf seufzte. „Das wird sich noch alles klären, schätze ich."
„Und übrigens, ich werde sie heiraten, Ashraf."
„Sie heiraten!"
„Wenn wir erfolgreich sind, meine ich. Falls nicht, wird es wohl nichts geben, das ich ihr noch bieten könnte, was?"
„Du kennst sie doch erst seit ein paar Tagen! Harry, du bist zu impul..."
„Es waren sehr, sehr schwierige Tage. Unter solchen Umständen lernt man eine Frau sehr gut kennen. So eine wie sie findet man nur einmal unter Millionen, und ich weiß, sie wird niemals zu mir sagen: ,Oh, Harry, du bist so impulsiv', oder ,Harry, ist das nicht zu gefährlich?' oder ,Wirst du mich nicht vermissen, wenn du so lange weg bist?'"
Ashraf musste lachen. „Wir haben schon gemerkt, dass sie genauso verrückt sein muss wie du."
„Ja. Verrückt und schön und eigensinnig und frei. Aber ich werde vorerst nicht erwähnen, dass wir heiraten werden, Ashraf. Ich möchte ihr keine Angst einjagen."
Ashraf verstand die unausgesprochene Botschaft, die in diesen Worten enthalten war. Auch Harrys persönliches Glück hing vom Erfolg ihres Unternehmens ab.
„Natürlich. Wir werden alle unser Beste s tun."
Harry sagte weiter nichts dazu, sondern fragte: „Wann ist der Fluglotsenstreik eigentlich vorbei?"
„Wahrscheinlich morgen. Ich muss heute Abend hier in London eine Wohltätigkeitsveranstaltung besuchen. Wenn der Streik zu Ende ist, werden wir uns morgen Abend sehen oder übermorgen früh."
„Ich werde mich gut unterhalten bis dahin."
„Er ist was?" fragte Hai Ward fassungslos.
„Einer der Enkel von Sultan Hafzuddin al Jawadi", sagte Mariel.
„Was?"
„Du wirst demnächst mehr von ihm hören. Es gab einen Umsturz in Bagestan, und er musste deshalb das Land verlassen, das war 1969. Damals kam Ghasib an die Macht. Die Enkel wollen die Monarchie wiederherstellen."
„Mariel..." begann Hai.
„Der gleiche Ghasib, der Michel Verdun beauftragt hat, deine Rechner anzuzapfen, Hai."
„Was ist mit deinem Haar geschehen?" raunte Harry, als er hinter Mariel trat, die an der Reling stand und hinübersah zu den Lichtern von Cannes.
Sie waren auf dem Weg nach St. Tropez. Ihr Abendessen würden sie an Bord einnehmen.
„Der Friseur hat gesagt, es sei durch das ständige Färben völlig ruiniert. Also habe ich ihm gesagt, er soll es abschneiden."
Harry lachte. „Einfach so?" Er stützte sich links und rechts von ihr auf die Reling.
„Es war sowieso Zeit für eine Veränderung."
„Es ist wunderbar, so leichten Zugang zu deinem Hals zu haben." Harry beugte sich vor und küsste ihren Nacken.
Sie erschauerte. „Ich bin froh, dass es dir gefällt."
„Sieht sehr trendy aus", sagte er. „Du siehst aus wie eine von den Schönen und Berühmten dieser Welt. Sollen wir die Leute von ,Hello!' einladen, um Fotos zu machen?"
Mariel drehte sich in seinen Armen herum. Harry hatte sich umgezogen. In seinem schwarzen Smoking sah er noch attraktiver aus als je zuvor.
„Möchtest du? Würde es deiner Sache dienen?" fragte sie zurück.
Das Boot war fantastisch. Es erinnerte Mariel an die Filme aus den dreißiger Jahren, in denen Frauen in eleganter weißer Aufmachung und mit einer Unmenge von Koffern aus Schlangenleder auf solchen Schiffen reisten.
So würde es für sie nun auch sein, wenigstens eine kurze Zeit lang. Als die Stewardess den Kleiderschrank in ihrer Kabine geöffnet hatte, hatte Mariel nur ungläubig lachen können beim Anblick der Garderobe, die man für sie in den Designer-Boutiquen von St. Juan-les-Pins und Cap Ferrat zusammengestellt hatte: die schicksten Badeanzüge, Kleider, Hosen, Blusen, lange Umhänge und die wundervollsten Dessous, ganz
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