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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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inneren Tumult. Er hatte es schon erlebt – in einem Moment der Unaufmerksamkeit überrascht, wenn die Welt sich an ihn anschlich und alles zu einem exquisiten Kriechen verlangsamte. Fortlaufende Bewegungen in einzelne Segmente zerteilt, fallende Dominosteine, verbunden, aber getrennt und eigenständig. Geräusche breiteten sich aus wie Quecksilber auf einer geneigten Glasscheibe, dann verweilten sie über ihre übliche Halbwertszeit hinaus. Er streckte die Hände vor sich aus.
    Im letzten Moment drang unerwartet ein Gedanke an die Oberfläche: War jemals die Leiche seines Vaters auf dem Berg entdeckt worden, unter dem Reifen des Trucks eingeklemmt, das Messer tief im Herz? Geiger spürte noch immer den Ledergriff in seiner Kinderhand, als er das Messer hineinstieß. Wahrscheinlicher war, dass die Wölfe das Fleisch verschlungen und Pumas und Füchse mit den Knochen gespielt und sie verstreut hatten. Die Sonne hatte den blutgetränkten Boden getrocknet und der Wind die dunkel verfärbte Erde hochgewirbelt und weggefegt. Von dem Mann blieb nur übrig, was Geiger mitnahm, äußerlich und innerlich – die wahnsinnigen Rituale, den eleganten Schaltkreis der Narben, die Bruderschaft des Schmerzes, die letzte Offenbarung von bleichen, blutenden Lippen: Die Welt weiß nichts von dir. Das ist mein Geschenk an dich. Du bist niemand.
    Der Truck stand vor ihm. Auf dem Vordersitz hatte die junge Frau zwischen den beiden Männern die Hände vors Gesicht geschlagen. Der gequälte Schrei der Reifen erstarb, als der funkelnde silbrige Kühler auf Geigers vorgestreckte Hände traf – und stoppte. Hätte es Zeugen gegeben, hätten sie vielleicht geglaubt, er wäre eine Art Superheld, der heranrasende Fahrzeuge mit bloßen Händen zum Halten brachte.
    Die Tür flog auf, und der Fahrer sprang heraus. Er sah aus, als wäre er ein paar harte Jahre über zwanzig, hielt eine Bierflasche in der Hand und trug ein Sweatshirt mit der Aufschrift: STAR SPANGLED BANGER! in roten, blauen und weißen Buchstaben. Mit der Hand fuhr er sich über die Haarstoppeln, dann spreizte er die Arme wie ein Regenmacher, der den Himmel anruft.
    »Scheiße, Mann! Was machst du denn für ’ne Scheiße, hä?«
    Geiger straffte den Rücken. »Sie haben eine rote Ampel überfahren«, sagte er.
    Etwas an Geigers weicher, monotoner Stimme brachte den Mann zum Grinsen.
    »Rote Ampel? Scheiße, wir sind hier in Brooklyn .«
    »Sie sollten vorsichtiger sein. Sie haben eine Dummheit begangen.«
    Der Mann grinste weiter und sah zu den anderen hin. »Er sagt, ich bin doof.«
    Der andere Mann im Truck lachte auf und warf durch die offene Tür mit einer leeren Bierdose nach seinem Freund. »Da hat er recht, du blödes Arschloch!«
    Der Fahrer wandte sich wieder zu Geiger und hob die Flasche. »Wegen dir hab ich mein Bier verschüttet, Mann. Sie war fast voll – mein letztes. So ’ne Scheiße!«
    Seit seiner Rückkehr hatte Geiger direkte Kontakte auf ein Minimum beschränkt, doch das Gerede des Mannes befeuerte seine Sensoren, die hinter der Oberfläche aus Wörtern und Tönen nach Absichten suchten. Irgendwo beklagte eine Feuerwehrsirene eine neue Tragödie. Geiger nahm seine Ohrstöpsel heraus.
    »Sie sollten wieder in den Wagen steigen.«
    »Komm schon, Dougie«, sagte die Frau. »Fahren wir weiter.«
    »Gleich.« Der Fahrer sah Geiger genauer an. »Du bist nicht von hier – oder? Wir, äh … Wir fahren rum und, na, wir haben die Dinge im Auge … und ich glaube, dich hab ich noch nie gesehen.« Er neigte den Kopf wie ein Dobermann, der Hackfleisch wittert. »He, bist du ein Mussie? Weil … Du sieht irgendwie aus wie einer.«
    Geiger spürte den Puls in seinen Schläfen pochen wie das Ticken einer Uhr. »Ich weiß nicht, was ein Mussie ist.«
    »Klar weißt du das. Du weißt doch … Mussie. Kopftuch und so. Moscheenratte.« Der Mann zuckte mit den Schultern. »’n Mussie.« Er sah die beiden anderen an. »Er sieht irgendwie so aus, oder?«
    »Find ich auch«, sagte der Mann auf dem Beifahrersitz. »Irgendwie schon.«
    »Ich bin kein Muslim«, erwiderte Geiger, »also können Sie weiterfahren.«
    »Eine Sekunde.« Der Mann kam plumpvertraulich über den Asphalt schlurfend näher. Geiger begann, sich mit den Fingern gegen die Schenkel zu trommeln. Der Atem strömte heiß durch seine Nasenlöcher. Der Fahrer blieb zwei Handbreiten vor ihm stehen und hielt ihm die Flasche hin. »Dann trink was, ja? Nur damit keiner sauer ist. Ich meine, Mussies dürfen

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