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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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ihm.
    Das Bild, das ihr vor Augen trat, zeigte Geiger, wie er davonging, wie er sein Hinken in jene einzigartige Anmut verwandelte. Sie konnte nicht sehen, was er hinter sich ließ, aber er blickte nicht danach zurück. So etwas tat er nicht.
    Der Kater lag auf der Fensterbank, eine treue einköpfige Zuhörerschaft. Ezra stand auf der Feuertreppe und spielte Violine – eine eigene Melodie, ein langsames, schwermütiges Thema, das er vor einigen Tagen in sich gefunden hatte und jeden Abend vor seinem Fenster ausbaute. Die Nachbarn hatten sich deswegen noch nicht beschwert. Aus einer Wohnung war sogar einmal Applaus gekommen.
    Die Zeit hatte sich selbst neu erfunden – uralte Konventionen wurden widerrufen, die Fesseln von Stunden und Minuten abgeworfen, das Ich befreit, das sich ausbreitete und schrumpfte und seine formbare Natur erkundete. Nun maß Ezra die Zeit nach Gefühlen. Ein flüchtiger Tagtraum. Ein verwaister Augenblick der Hoffnung. Eine kurze, holprige Fahrt des Schlafes. Phasen der Verzweiflung … und Resignation. Ein Moment des Friedens. Sie alle liefen ineinander, einer nach dem anderen. Seine Mutter hütete die Zeit. »Ezra, es ist Zeit aufzustehen.« – »Ezra, Mittagessen.« – »Ezra, Zeit zum Zubettgehen.«
    Der Kater öffnete sein Auge, eine glänzende Goldmünze, erhob sich mit einem langsamen, den Rücken verbiegenden Recken und ließ sich auf das Stahlgitter fallen. Der Junge beobachtete ihn, wie er zu der quadratischen Öffnung ging und die drei Sprossen der hochgezogenen Leiter hinunterkletterte. Er kam immer wieder nach Hause, ganz wie Geiger gesagt hatte, doch jedes Mal, wenn er auf seine nächtlichen Streifzüge ging, musste Ezra einem Panik-Gremlin, der in seinem Kopf hochzuckte, in den Hintern treten.
    »Bis später, Tony.«
    Der Kater sprang auf den Boden und schlenderte davon, verschwand in der Dunkelheit des Hofes.
    Ezra hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, aber er hatte sie in ein Regal geräumt, wo sie eine Staubschicht ansetzen konnte wie ein zerbrochenes Spielzeug, das wegzuwerfen er nicht übers Herz brachte. Dr. Corley hatte einmal gesagt, Trauer sei das schwierigste und zugleich einfachste Gefühl. Er hatte gesagt, Liebe und Hass unterschieden sich für jeden Menschen, und es gebe eine Million Gründe, aus denen man jemanden liebte oder hasste, und vielleicht begreife man diese Gründe nicht einmal; doch Trauer sei für jeden so ziemlich das Gleiche, und alle würden den Grund kennen, aus dem man sie fühle. In letzter Zeit fragte sich Ezra, ob Trauern etwas war, in dem man durch Übung besser werden konnte.
    Als er ein bebendes As ausgedehnt hatte, sah er eine Veränderung in der Dunkelheit unter sich. Sie hielt weniger als eine Sekunde an, schwarz auf schwärzer, Schatten auf Schatten. Nach tausend Abenden, an denen er einsam auf den Hof gestarrt hatte, kannte er dort jeden Umriss. Da unten war etwas, das es dort noch nie gegeben hatte. Am westlichen Zaun. Ein hoher Fleck in der Dunkelheit. Seine Gedanken machten einen Rückwärtssalto zu seiner Mutter und sich in der U-Bahn.
    Mom … Hinzugehen und mit denen zu reden. Ihnen Informationen zu geben. Ihnen Dinge zu erzählen, die sie vielleicht nicht wissen. Ja, vielleicht sind sie eine Hilfe. Aber vielleicht lassen sie uns alle auch nie wieder in Ruhe …
    Dann miaute der Kater.
    »Tony?« Ezra legte die Violine auf die Fensterbank und beugte sich über das Geländer vor. »Tony?«
    Ein neues Miauen erklang – und wurde unterdrückt, ehe es endete. Der abgerissene Laut erzeugte an Ezras Hinterkopf eine Gänsehaut.
    »Tony! Komm her!« Seine Stimme prallte vom gegenüberstehenden Haus ab wie ein Pingpongball und erstarb.
    »Schrei nicht so laut, Ezra. Er ist bei mir.«
    Der Klang der samtigen Stimme ging ihm durch und durch und machte die Worte bedeutungslos. Ezra schoss die drei Leitersprossen hinunter und sprang die zwei Meter auf den Boden, ehe er noch einen weiteren Atemzug tat. Das tosende Adrenalin machte Sauerstoff überflüssig.
    »Wo bist du?«
    »Hier drüben.«
    Ezra fuhr herum. Am anderen Ende des Hofes schien sich ein Schatten aus der Mauer hervorzuwölben, ein Teil aus ihr herauszubrechen und vorzukommen, zu einer separaten dunklen Gestalt zu werden und in einem blassgrauen Lichtfleck stehen zu bleiben. Ezra sah, wie auf der rechten Schulter der Silhouette ein goldenes Auge aufblitzte.
    In seinem ganzen Leben war er noch nie so schnell gerannt, aus Angst, er könnte explodieren, ehe er ihn

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