Der Facebook-Killer
Stelle auf dem Gehsteig versuchte, die Nackte wiederzubeleben.
„Wer ist sie? Wissen wir das schon?“, fragte sie niemanden Bestimmten.
„Keine Auskünfte an die Presse“, sagte der hochkonzentriert arbeitende Mediziner, ohne aufzublicken. Geza runzelte die Stirn.
Sie warf Mafro einen auffordernden Blick zu. Der war zwar nicht sicher, ob er etwas würde ausrichten können, wenn die Beamten hier vor Ort von der Wölfin unbeeindruckt waren, kam aber heran. Mit einer unmerklichen Kopfbewegung verwies sie ihn an einen älteren, graumelierten Feuerwehrmann, einen der beiden, die inzwischen von der Rettungsplattform heruntergestiegen waren. Er stand am Rande des kleinen Menschenauflaufs, hielt seinen Helm in einer Hand und wischte sich mit der anderen den Schweiß von der Stirn.
Mafro beeilte sich, ihr nachzukommen, griff in die Gesäßtasche und holte seine Brieftasche heraus. Er klappte sie auf und zeigte seinen Dienstausweis in die Runde. „Police Judiciaire, meine Herrschaften. Commissaire Maxime Fronzac. Ich leite hier die Ermittlungen.“ Das war glatt gelogen, aber er hoffte, es würde niemand nachfragen.
Die Wölfin erkannte ihr Stichwort, kam näher und sagte: „Dr. Geza Wolf, Polizeipsychologin. Ich bin in dieser Angelegenheit beratend tätig.“
Ehe jemand etwas dazu sagen konnte, wandten alle ihre Aufmerksamkeit dem vor ihnen am Boden kauernden Notarzt zu, der unerwartet einen unartikulierten Fluch ausstieß. Er sah auf und schüttelte langsam und traurig den Kopf.
Geza wandte sich ab und starrte in die Flammen. Mafros Blick fiel auf die übel zugerichtete Frauenleiche. Er konnte ihn für eine ganze Weile nicht wieder abwenden. Niemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, ihr die Augen zu schließen, und darin war nacktes Grauen zu lesen. Sie war hübsch gewesen … ein wenig mollig, aber Mafro mochte das …
Schließlich riss er den Blick los. Dann trat Geza Wolf unvermittelt wieder neben ihn; er hatte keine Ahnung, wo sie gewesen war. Sofort fühlte er sich besser. Ihre Nähe gab ihm Sicherheit.
Der Notarzt richtete sich auf. Auf seiner Jacke prangte ein Namensschild: „H. Le Franc“.
„Doktor Le Franc, was können Sie uns auf Anhieb sagen?“, erkundigte sich Mafro und hielt auch ihm seinen Dienstausweis hin. Der Mediziner warf einen kurzen Blick darauf und streifte dabei seine Latexhandschuhe ab; erst jetzt sahen Geza und der Kommissar, wie jung der Mann war. Wahrscheinlich hatte er sein Studium noch nicht lange beendet. „Nennen Sie mich Hervé, Kommissar“, sagte er.
Mafro wurde von einem erneuten Hustenkrampf geschüttelt.
Le Franc nahm ihn am Arm, setzte ihn in die offenstehende rückwärtige Tür eines der beiden wartenden Notarztwagen und reichte ihm eine Sauerstoffmaske. „Hier, zur Sicherheit.“ Geza trat zu den beiden, den älteren Feuerwehrmann im Schlepptau. Sie hatte ihr Smartphone gezückt.
„Sie sagten, an dem Telefonat war auch ein Mann beteiligt?“, fragte sie Mafro. Der hustete weiter krampfhaft und sog Sauerstoff aus der Maske, nickte aber. Entschlossen stand er auf und nahm die Maske ab.
„Hey, warten Sie“, protestierte Le Franc. „Sie sollten besser mit in die Notaufnahme kommen. Sie können doch nicht einfach …“
Aber Mafro hatte es sich anders überlegt. Er bahnte sich einen Weg in Richtung eines Streifenwagens. Das Feuer erstarb langsam, aber die Traube der Gaffer wurde immer größer. Rauchschwaden erfüllten die Nachtluft, die Sirenen gaben immer noch ihr infernalisches Gejaule von sich, es herrschte ein Riesendurcheinander.
In einiger Entfernung sah Mafro, wie die junge Frau in einen grauen Zinksarg gelegt wurde. Genau wie damals Kyl. Er begann zu zittern.
„Ich lasse die Leiche in die Gerichtsmedizin bringen.“ Le Francs Stimme.
Mafro hustete erneut. Doktor Le Franc musterte ihn besorgt. Dann kam auch die Wölfin zu ihnen herüber.
„Commissaire Fronzac?“, sagte sie behutsam.
Er warf ihr einen geistesabwesenden Seitenblick zu. Der nächste Hustenanfall war so heftig, dass Mafro sich krümmte. Erst nach und nach bekam er seine Atmung wieder unter Kontrolle und hatte nicht mehr ständig das Gefühl, im nächsten Augenblick ersticken zu müssen.
Die Rettungswagen rückten ab; zum Glück hatte sich außer dem Opfer offenbar niemand in dem alten Haus befunden, als das Feuer ausgebrochen war. Ein uniformierter Kollege näherte sich.
„Commissaire?“
„Ja?“
Der Polizist hielt ihm ein bedrucktes Stück Papier hin. „Wir haben ihren
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