Der Bordeaux-Betrug - Der Bordeaux-Betrug - The Bordeaux Betrayal
Kapitel 1
D er heilige Thomas von Aquin hat einmal gesagt, Kummer könne durch guten Schlaf, ein Bad und ein Glas Wein gelindert werden. Ein Glückspilz, wenn das alles war, was er brauchte.
Hector starb Anfang September, kurz vor dem Labor Day . Es war das letzte Ereignis eines turbulenten Sommers, der mit einer Hitzewelle direkt aus dem Vorzimmer der Hölle zur Last geworden war. Für mich war Hector wie ein Vater gewesen, der während der vergangenen zwanzig Jahre die Arbeiter auf dem Weingut unserer Familie in den Ausläufern der Blue Ridge Mountains in Virginia beaufsichtigt hatte. Sein Tod war meinem zweiten Autounfall innerhalb von drei Jahren gefolgt, bei dem ich mit meinem alten Volvo einen großen Rehbock erwischt hatte. Davor hatte der Hurrikan Iola zu Verwüstungen geführt, gerade als wir mit unserer Weißweinlese beginnen wollten. Wenn der Monat August ein Fisch gewesen wäre, hätte ich ihn schleunigst wieder ins Wasser befördert.
Glücklicherweise zeigte sich der Herbst anfangs etwas freundlicher. Die sengende Hitze nahm ab, und die schräg hereinfallenden Sonnenstrahlen tauchten alles in weichere Farben, verwischten die scharfen Konturen der Schatten. Die Luft roch nicht mehr, als habe man sie zum Sieden gebracht, und das unbarmherzige metallische Geräusch der Zikaden verstummte langsam. An diesem Tag, einem Altweibersommerabend im Oktober, klang die Serenade der Ochsenfrösche wehleidig.
Ich hatte Mick Dunne, meinen Nachbarn, mit dem ich im Frühling eine wilde Affäre gehabt hatte, zum Abendessen und einem Vortrag über Wein nach Mount Vernon eingeladen. Obwohl wir gerade erst angekommen waren, hatte er innerhalb von fünfzehn Minuten schon drei Mal auf seine Uhr geschielt. Ich tat jedes Mal so, als habe ich es nicht bemerkt.
Als Joe Dawson, der Verlobte meiner Cousine, mir die Eintrittskarten gegeben hatte, fand ich, dass diese Einladung eine gute Gelegenheit war, Mick zu verstehen zu geben, dass die Vorgänge vom letzten Frühling für mich Vergangenheit waren und wir dennoch Freunde bleiben konnten. Schließlich hatte er gerade ein Dutzend Hektar Wein an der Grenze zu meinem Grundstück angebaut. Wir mussten miteinander auskommen.
Trotzdem bedauerte ich diesen Abend bereits. Schließlich würde wohl kaum George Washington persönlich plötzlich aufkreuzen, um Mick zu einem Rundgang über das Gelände aufzufordern oder ihm eine Spritztour zur Whiskeybrennerei vorzuschlagen. Obgleich Mick seine Unruhe mit artig geheucheltem Interesse zu kaschieren versuchte, wie nur Briten es vermögen, wusste ich doch, dass er sich langweilte.
Wir wanderten auf einem schattigen Pfad am Rande einer Rasenfläche, die als Bowlingplatz bekannt ist. Washington selbst war es gewesen, der einige der größeren Bäume gepflanzt hatte – Tulpenbäume, Weißeschen und Ulmen. Ich griff nach Micks Arm, weil ich auf dem unebenen Weg nicht stolpern wollte. Da ich von einem beinahe tödlichen Autounfall vor drei Jahren einen verkrüppelten linken Fuß zurückbehalten habe, war ich auf eine Krücke angewiesen, um das Gleichgewicht zu halten. Mick schaute hinab, als ich meinen Arm unter seinen schob. Eine weitere Gelegenheit, auf seine Uhr zu linsen.
Ich unternahm einen erneuten Versuch. »Von der anderen Seite des Herrenhauses hat man einen fantastischen Ausblick auf den Potomac River. Du wirst schon sehen.«
»Wirklich? Wie reizend.« Es klang, als hätte ich ihm gerade eine letzte Zigarette angeboten, bevor man ihm die Augen verband.
»Mitten auf dem Hof befindet sich auch eine Sonnenuhr. Zu dumm, dass wir schon fast Sonnenuntergang haben, sonst hättest du dort ebenfalls die Uhrzeit ablesen können«, sagte ich.
Für einen Moment herrschte eisiges Schweigen, dann platzte sein Lachen wie ein Champagnerkorken aus der Flasche. »Entschuldige, Liebling! Heute Abend bin ich nicht ganz bei der Sache.« Sein Arm umfasste meine Taille. »Ich wollte nicht unhöflich sein.«
Liebling. War ihm das Wort nur herausgerutscht, oder hatte er es bewusst gewählt?
»Warum bist du überhaupt mitgekommen, wenn du kein Interesse an diesem Vortrag hast?«, fragte ich.
Der Druck seines Arms verstärkte sich. »Ich habe ja Interesse. Aber nicht, wenn irgendeine Frau langweiliges Zeug erzählt.«
Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht schoss. »Joe sagte, sie soll wirklich mitreißend sein.«
Sie war auch mit Joe befreundet. Ich rückte aus der Reichweite von Micks Arm.
»Sind ja nicht gerade viele Leute hier«, sagte er.
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