ihr Gästezimmer und einen Wohnungsschlüssel überlassen. Befreundet waren sie schon seit Studientagen und als Geza ihr mitteilte, dass sie ein Hilfsgesuch der Pariser Polizei angenommen hatte, war sie begeistert gewesen, Geza einmal ein wenig länger um sich zu haben, auch wenn die Umstände des Besuchs der Wölfin nicht gerade erfreulich waren. René Bavarois hatte zwar angeboten, Geza könne für die Dauer ihres Parisaufenthaltes auf Kosten des Staates in einem Hotel ihrer Wahl absteigen, doch das hatte diese dankend, aber sehr entschieden abgelehnt.
Im Grunde war sie froh, einmal eine Weile aus der Quadratestadt herauszukommen und sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit traumatisierten Opfern von Kapitalverbrechen, in erster Linie vergewaltigten Frauen, die ihr am Schreibtisch gegenübersaßen und ihr in langen, endlos langen Gesprächen Woche für Woche Einblick in die finstersten Abgründe ihrer Seele gewehrten, dahin, wo teerschwarz und klebrig das Unverarbeitete brodelte. Der Ekel, der Selbsthass, der Schmerz, die Verletzung – und die Gier nach Rache.
Sesshaft zu werden und so etwas wie eine Heimat zu finden hatte ihr gut getan, damals, nach DER SACHE. Die Wohnung in der Villa in der Werderstraße zu renovieren, Zimmer für Zimmer. Sie genau so zimmerweise einzurichten. Diese Wohnung war ihre Höhle, ihre sichere Zuflucht. Alles in Cremetönen, Weiß und dunklem Holz. Auf manche der Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände hatte sie monatelang Jagd gemacht, in andere sehr viel Geld gesteckt. Jedes Jota ihrer Wohnung war perfekt, war genau so, wie sie es haben wollte.
Trotzdem war sie nicht sicher, ob es ausgerechnet das bürgerliche, manchmal sehr kleinstädtisch anmutende Mannheim hätte sein müssen. Geza schnappte sich ein großes, dunkelgrünes Frotteehandtuch, ihre, wollte man dem Aufdruck auf der cremefarbenen Flasche Glauben schenken, nach Milch und Honig duftende Body Lotion, ging ins Badezimmer und platzierte ihr Handy in Griffweite auf dem Spülkasten der Toilette. Mittwochabend. Am nächsten Morgen würde ihr erster Arbeitstag in Paris mit einer Besprechung im Konferenzraum der Mordkommission beginnen.
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Tue, 15 Feb 2011 23:55:21 -0800
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23.12.2010
Préfecture de Police
Rue de la Cité, Paris
Geza hatte natürlich ausgerechnet an diesem Morgen den Wecker einfach ausgedrückt, prompt verschlafen und danach noch mit den Tücken des Pariser Innenstadtverkehrs gekämpft.
Nun hastete sie mit trockenem Mund die Treppe zur Préfecture hinauf. Im ersten Obergeschoss erwartete sie ein langer Korridor, am Ende eine T-Kreuzung. Sie bog rechts ab zum Besprechungsraum der Mordkommission.
„Sie kommen zu spät, Madame.“
Gezas Blick suchte den Sprecher. Auf einem der Besucherstühle im Gang saß ein Mann Ende dreißig, wahrscheinlich marokkanischer oder tunesischer Abstammung, mit raspelkurz geschnittenem, dichtem schwarzen Haar, das seinen Kopf wie eine eng anliegende Kappe umgab, milchkaffeefarbenem Teint, Augen von einer