Der Fänger
würde mich finden. Es war nur eine Frage der Zeit, aber die Überraschung wollte ich auf meiner Seite haben – und diesmal sollte mir der Fänger nicht mehr entkommen!
Direkt neben mir gab es einen Lichtschalter. Ein kurzer Griff nur, das würde reichen. Mein Kreuz steckte in der Jackentasche. In der rechten Hand hielt ich die Beretta.
Im nächsten Augenblick wurde es hell!
***
Möglichst lautlos huschte Suko die Stufen der Treppe hinab, was nicht so einfach war. Der blanke Stein sah glatt aus, und Suko musste Acht geben, dass er nicht ausglitt.
Er traute sich nicht, die Leuchte einzuschalten, da sie ihn sofort verraten würde. Zudem ging er davon aus, dass es im Keller eine Lichtquelle gab.
Er hatte sich nicht geirrt. Als er die letzte Stufe hinter sich gelassen hatte, wandte er sich nach links, weil ihn von dort ein heller Schimmer erreichte und ein blasses Muster auf dem Boden hinterließ.
Suko folgte der Spur. Aufgehalten wurde er nicht, kein Mensch hielt sich in der Nähe versteckt. Auf leisen Sohlen eilte er durch den Gang, auf das Licht und auf eine Tür zu, die nicht ganz geschlossen war, sodass Suko eine Stimme hörte, die ihm sofort alles andere als sympathisch war. Der Tonhöhe nach passte sie zu einem Mann, nur musste sie zu einem Psychopathen gehören. Sie war schrill, und der Wahnsinn schwang darin mit.
Leise redete er, immer wieder von einem hässlichen Lachen unterbrochen. Aber er nahm seine Worte immer wieder auf und ließ sich durch nichts sonst ablenken. Dazwischen hörte Suko ein leises Wimmern, das von einer Frauenstimme stammte.
Er näherte sich der Tür, die nur zur Hälfte offen stand. Das war ein Vorteil, denn so konnte der Sprecher nicht von innen nach außen schauen.
Zwei lange Schritte, dann hatte Suko sein Ziel erreicht. An der Tür blieb er stehen, hielt den Atem an und warf einen Blick in den anderen Raum hinein.
Das Licht reichte aus, um ihn sofort als OP zu erkennen, wenn auch kein hochmoderner, sondern eher altertümlich. Ein Raum, in dem sich Suko nie behandeln lassen würde.
Auf dem Operationstisch lag eine Frau, von deren Körper der größte Teil durch ein Laken verdeckt war. Suko sah die Füße, und als er hoch in Richtung Kopf schaute, stockte für einen Moment der Blutfluss in seinen Adern.
Es war nicht das Gesicht der jungen Frau, das ihn so erschreckte. Es war der Mann, der neben ihr stand. Oder vielmehr das, was dieser in der Hand hielt. Es gehörte zum Beruf des Chirurgen wie die Axt zum Holzfäller.
Ein Skalpell!
Der Kerl mit den dunklen Haaren und der hochgeschobenen Brille flüsterte vor sich hin, wenn die Worte wohl auch an sein Opfer gerichtet sein konnten. Es waren diese Worte, die Suko’s Herzschlag fast verstummen ließen.
»Und jetzt schneide ich dir deine Kehle durch...«
***
Ich sah ihn, er sah mich!
»Igor Sartow!«, sagte ich.
»Verdammt, Sinclair!«
»Damit hätten Sie rechnen müssen, Sartow. Ich kann manchmal wie Leim sein. Wenn ich einmal eine Spur verfolge, bleibe ich auch an ihr kleben.«
Ich erhielt keine Antwort. Sartow blieb stehen. Er bewegte nur die Augen und schätzte mich mit seinen Blicken vom Kopf bis zum Fuß ab. Die Beretta in meiner Hand musste ihm einfach auffallen, doch er ignorierte sie.
Auch ich musterte ihn und bemerkte etwas, was ich zwar erwartet hatte, was mich aber dennoch erschreckte. Seine Arme hingen zu beiden Seiten des Körpers herab, und sie mündeten in Händen, die nicht mehr normal aussahen und nichts anderes waren als grünliche Pranken, deren Finger er gespreizt hatte.
Keine Hände, sondern Klauen. Greifer, die nur zu einem Monster gehören konnten.
»Wir mussten wieder Zusammentreffen!«, erklärte er flüsternd. »Das war mir klar, denn einer von uns ist zu viel auf der Welt. Ich denke, dass Sie das sind.«
»Klar, so hätte ich an Ihrer Stelle auch gedacht. Aber wer sind Sie wirklich, Sartow?«
»Nur ein Agent.«
»Des Teufels?«, wollte ich wissen.
»So ähnlich!« Er hob die Hände bis in Brusthöhe an und bewegte die Finger. »Ich besorge die Mädchen für den Doktor. Sie glauben gar nicht, was bestimmte Menschen für hohe Summen zahlen, nur um an gesunde Organe zu gelangen. Man kann gut von diesem Handel leben, und sogar Personen wie ich kommen gut zurecht.«
»Das denke ich mir. Aber irgendwo ist Schluss. Man behandelt Menschen nicht wie Abfall. Es sind keine toten Stücke. Menschen besitzen eine Seele, sie haben Gefühle – aber das ist einem sicherlich fremd, wenn man so ist wie
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