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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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A n jenem Abend kam er zu mir und sagte, daß ich unsere Stadt nicht liebe. Schon von der Schwelle aus schleuderte er mir leidenschaftliche Anschuldigungen entgegen. Ich empfing ihn mit der Hochachtung, wie wir sie unseren Lehrern schuldig sind, geleitete ihn ins Haus und wies ihm einen bequemen Platz an, in dem Glauben, eine friedliche Umgebung und der Labetrunk, mit dem ich ihn zu bewirten gedachte, würden seinen Zorn besänftigen. Doch er wollte sich nicht setzen. Im flackernden Schein der Lampe sah ich sein Gesicht: es war sehr geschwollen. Niemals zuvor hatte ich ihn derart heftig erlebt, und ich hätte schwören mögen, daß er krank war, obwohl das, was er hervorbrachte, vom Vollbesitz seiner Geisteskräfte zeugte. Er beschuldigte mich, daß ich in der vorangegangenen Nacht die Absicht gehabt hätte, die Stadt zu verlassen, wovon er heimlich in Kenntnis gesetzt worden sei. Anfangs verspürte ich nicht übel Lust, diese seine Beschuldigungen zu verlachen. Aber ich kannte ihn; da er mich aufsuchte, besaß er ganz offensichtlich Beweise…
    Am Abend zuvor hatte ich den Vorsatz gefaßt, zu David zu reiten. Unter allen nur erdenklichen Vorsichtsmaßregeln waren die Reisevorbereitungen getroffen worden. Vor Mitternacht verließ ich das Haus, nachdem ich vorher einen Mann mit einem gesattelten Pferd zum Tor des heiligen Ägidius vorausgeschickt hatte. Ich traf ihn an der vereinbarten Stelle. Er zitterte vor Angst und Kälte. Die Nacht war kühl, ein böiger Wind wehte und wirbelte die von den Bäumen herabgefallenen Blätter auf. Zu meinem größten Erstaunen bemerkte ich, daß das Tor weit geöffnet und die Brücke menschenleer war. Unweit davon würfelten die Wächter. Völlig ins Spiel vertieft, schienen sie jenem Wegabschnitt nicht die geringste Beachtung zu schenken. Ich witterte eine Falle. Eine gewisse Zeit verging, die seltsam bedrohlich war. Ungeduldig scharrte das Pferd mit den Hufen. Riesig und weiß wie ein Schneeball ging der Mond auf. Plötzlich vernahm ich Schritte, und nach einer Weile gewahrte ich einen Zisterziensermönch, der sich ganz sorglos dem Stadttor näherte. Einer der Wächter hob den Kopf, sah ohne jedes Interesse zu dem Passanten hin und widmete sich wieder dem Spiel. Der Mönch hatte das Tor bereits hinter sich gelassen und setzte nunmehr den Fuß auf die Brücke. Dumpf dröhnte sein Wanderstab in der Finsternis. Von niemandem aufgehalten, entfernte er sich aus der Stadt. Ich wartete noch ein paar Augenblicke, dann befahl ich, das Reitpferd in den Stall zu bringen, und kehrte nach Hause zurück.

I M N AMEN DES V ATERS UND DES S OHNES UND DES H EILIGEN G EISTES. A MEN . Noch einmal hatte mir die Stadt einen teuflischen Streich gespielt… Durch die weitgeöffneten Tore aus ihr fortzugehen – eine Ungeheuerlichkeit wäre das gewesen! Dabei waren meine Vorsätze – weiß Gott – die besten. Hatte ich mich doch endlich dazu entschlossen, David von allem in Kenntnis zu setzen, was hier in Arras vor sich ging. Überzeugt davon, daß die Stadt dem Wahnsinn verfallen war, wollte ich nur noch eins: ihr weitere Leiden ersparen und den Mann herbeiholen, dessen Klugheit und gesunder Menschenverstand dem allgemeinen satanischen Treiben sofort ein Ende gemacht hätten. Dennoch war zu vermuten, daß ich bei den Bürgern damit auf Widerstand stoßen würde. Alle wußten, daß ich die Entscheidungen des Rates verdammte. Vieles deutete darauf hin, daß es der Rat nicht mit meiner Entfernung aus seinen Reihen bewenden lassen, sondern zu härteren Mitteln greifen würde.
    In den vergangenen Nächten hatte ich kein Auge zugetan. Die Verhaftungen fanden für gewöhnlich gleich nach Sonnenaufgang statt. Mit Einbruch der Dunkelheit flehte ich inbrünstig, daß mich das Schicksal vor Jammer und Qualen bewahren möge. Während ich so in bitterer Erwartung verharrte, ging mir unablässig der erlösende Gedanke durch den Kopf, der Gedanke, den Arras immerhin schon einmal erwogen hatte: David herbeizuholen bedeutete die Rettung für die gesamte von Tollheit besessene Bürgerschaft. Natürlich wußte ich, welch Risiko ein solches Unterfangen in sich barg, doch war ich auf alles gefaßt. Ich rechnete durchaus mit der Möglichkeit, bei meiner Flucht ergriffen zu werden, deshalb hatte ich auch das beste Pferd gewählt und einen vertrauenswürdigen Menschen eingeweiht. Da aber fand ich das Tor verlockend offen vor und die Wache wohlwollend gleichgültig!
    Wenn ihr meint, daß es mich nach Martyrium gelüstet und ich

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