Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
mich zu verstehen (hoffe ich), und mir Kraft geben,
etwas zu ändern.
Stalker sind (auch!) Menschen.
Sie machen anderen das Leben zur Hölle. Anderen, aber auf eine unendlich
qualvolle Weise auch sich selbst. Ich spreche da aus ganz ureigener Erfahrung.
Bilden Sie sich Ihr eigenes
Urteil, aber urteilen Sie nicht – wir sind alle nur Menschen.
Daniela
Eva – Wie alles begann
Im
Radio läuft Bohemian Rhapsody von Queen. Es ist früher Nachmittag und
eine 8-Stunden-Schicht liegt hinter mir. Draußen bäumt sich der sterbende
Sommer ein letztes Mal auf und legt ein prächtiges Farbenspiel auf die Bäume,
deren Blätter in allen Brauntönen gefärbt sind und die sich bereit machen für
den Fall in die Vergänglichkeit.
Während
die Kaffeemaschine läuft, hocke ich vor dem Ofen im Wohnzimmer, werfe
zerknülltes Zeitungspapier hinein, ein paar Holzspäne und obendrauf Briketts. Neben
dem antiken Badeofen in meinem kleinen Bad die einzige Wärmequelle der
Zweizimmerwohnung in dem 6-Familienhaus, in dem ich seit einem guten Dreivierteljahr
wohne. Seit der Trennung meiner Jugendliebe, seit ich Single bin.
Es
geht mir gut, hier und da wird mein Leben von leichter Melancholie begleitet.
Kein Wunder, Weihnachten ist nicht mehr weit und der Gedanke, alleine zu feiern
– alleine ohne einen Partner – macht mich nicht wirklich fröhlich. Aber auch
nicht unglücklich, denn ich habe Freunde, denen es ähnlich geht und mit denen
ich nicht nur diese Tage, sondern auch große Teile meiner Freizeit verbringe.
Mein Leben ist arrangiert, ich habe mich damit arrangiert, mein Job ist okay,
meine Wohnung billig und meine Freunde zuverlässig. Wir haben Spaß miteinander,
sehen uns, wann immer wir wollen, und können uns zurückziehen, wenn uns danach
ist. Bin ich zufrieden? Ja, ich bin jung, ich bin zufrieden. Ich wollte es so,
und so, wie ich es wollte, so kam es.
Während
ich neben dem Ofen hocke und rauche, wird mir lächelnd, als mein Blick zu der
alten Kompaktanlage schweift. Ein Relikt meiner Jugend, ein Geschenk, das ich
mir mit meinem Konfirmationsgeld selbst geschenkt habe. Silberfarben, breit wie
ein Tisch, mit Radio, Plattenspieler, Kassettenrekorder, Boxen … Kein besonders
toller Klang, aber mir reicht es, hier ist kein Raum für edle Töne und wuchtige
Bässe.
Langsam
wird es warm im Zimmer. Ich denke nicht nach, ich lebe. Der Dreck, den der Ofen
entlässt, muss weggekehrt werden, der Teppich im Flur braucht den Sog des
Staubsaugers, in der Küche steht noch das Geschirr vom Vortag, das gespült
werden muss – eine Arbeit, für die ich morgens keine Zeit habe, wenn um vier
der Wecker klingelt. Ein Tag wie viele andere auch, ein Wochentag, ein
Arbeitstag, ein Alltag.
Das
Telefon klingelt. Ich wische mir die nassen Hände an meinem Sweatshirt ab,
nehme den Anruf entgegen.
„Hallo,
hier ist Daniela.“
„Daniela?“ Who the fuck is Daniela?
„Also,
ich bin die neue Freundin von Tim.“
Tim.
Sieben Jahre in meinem Leben der Mann an meiner Seite. Mein Ex. Der Mann, von
dem ich mich vor einigen Monaten getrennt habe, um den Luxus unseres gemeinsam
gemieteten Hauses gegen die Banalität meiner einfachen Wohnung zu tauschen.
„Aha
…“ Was will die denn?
„Ja,
also … ich habe jetzt schon so viel von dir gehört. Ich möchte dich einfach mal
kennen lernen.“
„Hm.
Und warum?“
„Dein
Name ist sehr präsent in der Familie. Man redet viel von dir.“
Die
Familie, ja, eine tolle Familie, fast ein Clan. Tim stammt aus einem warmen
Elternhaus und hat vier Geschwister. Seine Schwester und ich sind Schulfreundinnen,
ich kenne sie alle, war viele Jahre Teil dieser Familie, viele Jahre. Ein
weiteres Kind in diesem Haus.
„Das
ist natürlich. Ich gehörte lange dazu.“
„Ja.
Ich fühle mich da wie ein Schatten. Habe das Gefühl, nicht akzeptiert zu
werden. Ich möchte dich einfach kennen lernen. Herausfinden, wer du bist, warum
ich dagegen nicht ankomme.“
Ich
muss lächeln. Unverhofft überfällt mich ein gutes Gefühl, ein hässliches
Gefühl. Macht? Selbstgefälligkeit? Arroganz? Vielleicht Überheblichkeit. Meine
Stellung ist unangefochten, ich freue mich darüber, natürlich. Das ist Balsam
für das Selbstbewusstsein. Trotz allem sind es Altlasten. Ich bin da raus, ich
gehöre nicht mehr zur Familie, bin nicht mehr Teil des Clans und im Grunde will
ich keinen Altar. Dennoch schmeichelt es mir ungemein.
„Wenn
du magst, komm einfach auf einen Kaffee vorbei.“ Ich glaube selbst
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