Der Fall
verstaut, mit sich trug.
»Das war kein schlechter Anfang«, sagte Jared, eng an seine Frau gepresst. »Dein erster Arbeitstag, und schon einen Sieg errungen.«
»Ich weiß nicht«, sagte Sara, als die U-Bahn von der Haltestelle in der Fifty-ninth Street losfuhr. »Zwischen schrulligen Klavierlehrerinnen und richtigen Kriminellen ist ein gewaltiger Unterschied. Und wenn man nach meinen bisherigen Leistungen geht, wird dieser Job sogar ein noch größerer Fehlschlag als der letzte.«
»Ein dummer Zwischenfall in einer hochkarätigen Anwaltskanzlei sagt noch gar nichts über deinen Wert auf dem Stellenmarkt.«
»Aber sechs Monate auf Stellungssuche – Jared, ich bitte dich.«
»Na und? Du wirst einsame Spitze sein.« Und als Sara bloß die Augen verdrehte, fügte er hinzu: »Sieh mich nicht so an. Ich weiß genau, was du jetzt denkst, aber es stimmt nicht.«
»Oh, jetzt glaubst du also schon, meine Gedanken lesen zu können?«
»Ich glaube nicht, dass ich deine Gedanken lesen kann – ich weiß, dass ich deine Gedanken lesen kann.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»Na, wenn das so ist, mein Bester, dann rate mal. Was geht mir gerade durch den Kopf?«
Jared schloss die Augen und massierte sich die Schläfen. »Ich sehe große Unzufriedenheit. Ein beträchtliches neurotisches Potential. Halt, nein – ich sehe einen gut aussehenden, hochintelligenten, leger gekleideten Ehemann. Mannomann, sieht der vielleicht gut aus …«
»Jared …«
»Genau so heißt er – Jared! Mein Gott, wir haben dieselbe Vision.«
»Ich meine es ernst. Was ist, wenn es auch mit dieser Stelle nicht klappt? Der Artikel in der Times …«
»Jetzt lass dich doch nicht von diesem Artikel in der Times verrückt machen. Dort steht nur, dass der Bürgermeister Budgetkürzungen angekündigt hat. Selbst wenn das zu Entlassungen führt, heißt es noch lange nicht, dass du gefeuert wirst. Wenn du allerdings sichergehen willst, kannst du Judge Flynn anrufen und –«
»Ich habe dir gestern Abend schon gesagt, ich rufe ihn nicht an«, unterbrach ihn Sara. »Wenn ich die Stelle behalte, dann möchte ich sie behalten, weil ich sie verdiene, und nicht weil mich jemand protegiert.«
Jared ließ es darauf beruhen. Seit sie sich kennen gelernt hatten, hatte Sara nie irgendwelche Vergünstigungen in Anspruch genommen – keinen kleinen Gefallen hier, keine Hilfestellung da. In diesem Punkt war sie eisern: Als ihr zum Beispiel Jareds Onkel angeboten hatte, ein gutes Wort für sie einzulegen, damit sie zu einem Vorstellungsgespräch in seiner Kanzlei eingeladen würde, hatte Sara abgelehnt. Für Jared war das schwer nachvollziehbar. Er hielt nämlich viel von Beziehungen; Sara verabscheute sie. »Entschuldige, dass ich es überhaupt erwähnt habe«, sagte er schließlich. »Und außerdem, wenn es mit diesem Job nicht klappt, kannst du dir immer noch einen anderen suchen.«
»Nein, auf keinen Fall! Ich habe schon genug Nackenschläge eingesteckt.«
»Genau das wollte ich auch gerade sagen«, pflichtete ihr Jared bei. »Keine weiteren Nackenschläge mehr. An deinem neuen Arbeitsplatz werden sie von dir begeistert sein. Sie werden merken, dass du ein Genie bist, und im Gegensatz zu Winick und Trudeau werden sie dich nie feuern. Schon vom ersten Tag an werden sie dir mit riesigen Federn nach Babypuder duftende Luft zufächeln. Die Budgetkürzungen werden dich kalt lassen, und du wirst nie ein flaues Gefühl im Magen bekommen, als würden Schwärme von Schmetterlingen darin herumflattern.«
»Darf ich dich mal was fragen?«, sagte Sara mit einem zärtlichen Lächeln. »Glaubst du dieses ganze Zeug, das du von dir gibst, eigentlich wirklich?«
»Ich bin Strafverteidiger. Das ist mein Job.«
»Nur lässt du damit uns andere Anwälte schlecht aussehen.«
»Du bist keine Anwältin mehr – von heute an bist du eine stellvertretende Bezirksstaatsanwältin.«
»Und das heißt, ich bin kein Anwalt?«
»Sobald du zur Staatsanwaltschaft gehst, wirst du ein Vampir. Von diesem Moment an interessiert dich nur noch, unschuldige Menschen festzunehmen und zu verurteilen.«
»Sagt der Mann, der schuldigen Kriminellen hilft, ungestraft davonzukommen.«
»Sagt die selbstgerechte Staatsanwältin.«
»Sagt der Mann, der nie wieder mit seiner Frau schlafen wird.«
Jared lachte, als die U-Bahn in die Haltestelle Fiftieth Street einfuhr. »Sagt die Frau, die immer recht hat und sich nie täuscht und an der nie wieder gezweifelt werden sollte.«
»Danke«, sagte
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