Der Fall
1
»Was ist, wenn es schiefgeht?«, fragte Sara, als sie ins Bett stieg.
»Es wird nicht schiefgehen«, sagte Jared. »Du machst es bestimmt großartig.«
»Und wenn nicht? Wenn ich bloß Durchschnitt bin? Vielleicht ist es das, was sie mir sagen wollten. Vielleicht ist das die Lektion, die sie mir erteilen wollten.«
»Kein Mensch wollte dir irgendeine Lektion erteilen, und Durchschnitt warst du noch nie.« Jared schlüpfte zu seiner Frau unter die Decke. »Morgen ist nichts weiter als dein erster Arbeitstag. Alles, was du tun musst, ist hingehen und du selbst sein.« Er knipste die Lampe auf dem Nachttisch aus und streckte die Hand nach dem Wecker aus. »Wann möchtest du aufstehen?«
»Um halb sieben?« Sara überlegte einen Moment. »Stell ihn lieber auf Viertel nach sechs.« Sie überlegte noch einmal. »Nein, Viertel vor sechs. Falls die U-Bahn Verspätung hat.«
»Schhhhh, atme erst mal ganz tief durch.« Jared stützte sich auf den Ellbogen. »Es ist völlig normal, nervös zu sein, aber es besteht überhaupt kein Grund, hektisch zu werden.«
»Entschuldige. Ich –«
»Ich weiß.« Er nahm ihre Hand. »Ich weiß, was diesmal davon abhängt – ich habe nicht vergessen, wie es letztes Mal war. Aber glaub mir, du wirst deine Sache bestimmt hervorragend machen.«
»Glaubst du?«
»Auf jeden Fall.«
»Glaubst du wirklich?«
»Sara, ich bin nicht bereit, mir das noch länger anzuhören.«
»Ist das ein Ja oder ein Nein?«
Jared zog eins der Kopfkissen unter seinem Kopf hervor und drückte es Sara aufs Gesicht. »Ich weigere mich, diese Frage zur Kenntnis zu nehmen.«
»Heißt das, über die Arbeit wird jetzt nicht mehr gesprochen?« Saras Gelächter wurde durch das Kopfkissen gedämpft.
»Ganz recht, ab sofort wird nicht mehr über die Arbeit gesprochen.« Jared setzte sich rittlings auf seine Frau und drückte ihr das Kissen weiter aufs Gesicht.
»Ah-oh, da kriegt wohl jemand perverse Anwandlungen.« Sara versuchte das Kissen wegzuziehen, aber sie spürte, wie Jared es ihr noch fester aufs Gesicht drückte. »Hör zu, das ist nicht mehr komisch«, stieß sie hervor. »Langsam tut es weh.«
»Hör auf zu jammern.«
»Was?«
Er reagierte nicht.
»Ich meine es ernst, Jared! Ich kriege keine Luft mehr.«
Sie spürte, wie er auf ihrer Brust nach oben rutschte und dann drückte er ihr mit den Knien erst die linke, dann die rechte Schulter nach unten.
»Jared, was soll der Quatsch?« Sie packte ihn an den Handgelenken und grub ihm die Fingernägel in die Haut.
Er drückte ihr das Kissen nur noch fester aufs Gesicht.
»Geh runter, Jared! Geh runter!« Inzwischen versuchte sie ihn unter heftigen Zuckungen abzuwerfen. Verzweifelt nach Luft schnappend, krallte sie mit ihren Nägeln nach seinen Armen und Beinen. Aber er hielt sie unerbittlich weiter fest. Sie wollte aufhören, sich zu wehren, aber sie konnte nicht. An ihren eigenen Tränen würgend, stieß sie hervor: »Jaaared!Jaaared …«
Sara schrak aus dem Schlaf hoch und setzte sich auf. Ihr Gesicht war schweißüberströmt, und im Raum war es still. Jared neben ihr schlief. Es war nur ein Traum, sagte sie sich. Es ist alles okay. Sie ließ den Kopf wieder auf das Kissen zurücksinken. Doch der Traum ließ sie nicht mehr los. Er war sogar noch realer gewesen als die anderen. Ihre Ängste, Jareds Verhalten, sogar seine Berührung. Es war alles so real gewesen. Aber das hatte nichts mit Jared zu tun, sagte sie sich. Es hatte etwas mit ihrer neuen Stelle zu tun. Um es sich zu beweisen, schmiegte sie sich an ihren Mann und schlang ihm einen Arm um die Brust. Er fühlte sich warm an unter der Decke. Der Traum hatte sich eindeutig auf ihre neue Stelle bezogen. Sie holte tief Luft und spähte mit zusammengekniffenen Augen auf den Wecker auf Jareds Nachttisch. Noch zwei Stunden, stellte sie fest. Nur noch zwei Stunden.
»Ich möchte Folgendes«, sagte Jared zu dem rothaarigen Mann hinter der Theke von Mike’s Deli. »Einen Sesambagel mit den meisten, aber nicht allen Sesamkörnern abgekratzt und dünn mit Cream Cheese bestrichen. Dazu eine Tasse Kaffee – sehr leicht, mit einem Löffel Zucker.«
»Echt toll, Schatz«, sagte Sara. »Wenn du schon dabei bist, warum bittest du ihn nicht auch noch gleich, dir das Nugat aus dem Snickers zu lutschen?«
»Bringen Sie ihn bloß nicht auf dumme Gedanken!« Der Mann hinter der Theke begann Jareds Bestellung fertig zu machen. »Ich kenne niemanden, der für einen lächerlichen Bagel mit Kaffee mehr
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