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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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zu denken, deine Beine
     zu retten. Manche haben bezweifelt, dass du überhaupt aus dem Koma erwachst. In diesem Zustand konntest du natürlich nicht
     operiert werden. Es wurde ein Konsilium einberufen. Und da erschien seine Majestät Doktor Awanessow. Er kam aus dem Urlaub,
     untersuchte dich und sagte: Warum amputieren? Neue Beine wachsen ihm schließlich nicht. Und weißt du, wie du deineZustimmung geäußert hast? Du bist aus dem Koma erwacht.«
    Zum ersten Mal seit Monaten schlief Major Loginow ruhig ein.
     
    In einer regnerischen Märznacht trat ein nackter junger Mann auf den Balkon im dritten Stock eines hohen Ziegelbaus am Stadtrand
     von Moskau, zündete sich eine Zigarette an und schaute auf den menschenleeren, großzügig beleuchteten Hof. Unter den vielen
     Autos funkelte sein neuer silbergrauer VW Beetle. Er hatte sich den Wagen vor einer Woche gekauft, und die kindliche Freude
     am neuen Spielzeug hielt noch an.
    Stanislaw Gerassimow war sechsunddreißig, sah aber zehn Jahre jünger aus und fühlte sich wie ein kleiner Junge. Er war um
     halb drei von einem bösen Traum erwacht. Er hatte geträumt, dass ihm die Zähne ausfielen. Er sah deutlich vor sich, wie er
     sie in die Hand spuckte und in seinem Mund die nackten, geschwollenen Kiefer mit den empfindlichen Wundmalen zurückblieben.
     Er erwachte schweißnass, blieb noch fünf Minuten liegen, schaute an die Decke und tastete mit der Zunge seine gleichmäßigen,
     kräftigen Zähne ab. Um sich endgültig zu beruhigen, ging er auf den Balkon, nackt wie er war, weil er sich in der fremden
     Wohnung schlecht auskannte und nicht sofort einen Bademantel fand, nicht einmal seinen eigenen Slip. Die eisigkalte Luft war
     angenehm erfrischend, auf dem Fensterbrett entdeckte er Zigaretten, zündete sich eine an, beugte sich über die Brüstung und
     bewunderte sein nagelneues Auto.
    »Ein toller Wagen«, murmelte er fröstelnd. »Welcher Idiot hat behauptet, der sei nur was für Frauen?« Er gähnte, drückte die
     Zigarette aus und wollte schon hineingehen, als er eilige, leichte Schritte hörte und gedämpfte Stimmen. Im nächsten Augenblick
     traten zwei Männer in den Lichtkegel.Stanislaw sah dunkle, bis zu den Augen heruntergezogene Stoffmützen, Jogginghosen mit Streifen an der Seite und Joggingjacken.
     Einer der beiden trug eine kleine Tasche über der Schulter. Sie blieben vor dem Volkswagen stehen, hockten sich hin und schauten
     unter das Auto.
    Den Wagen zu stehlen war faktisch unmöglich. Außerdem war er viel zu auffällig. Beetles, noch dazu in Silbergrau, gab es in
     Moskau nur ganz wenige.
    Na los, ihr Schwachköpfe, probierts nur, dachte Stanislaw schadenfroh. Gleich geht die Alarmanlage los, und ihr seid wie der
     Blitz weg …
    Kurz darauf wurde ihm heiß. Er begriff, dass die beiden den Wagen gar nicht stehlen wollten. Der eine legte sich auf den nassen
     Asphalt und kroch unter das Auto. Der andere blieb daneben hocken.
    Die Hitze wich einem Anfall von Schüttelfrost. Stanislaw beugte sich über die Balkonbrüstung und wollte rufen: »Hallo! He,
     Männer, was soll das?« Doch nun erhob sich der Hockende und legte den Kopf in den Nacken, und Stas sprang ohne einen Laut
     zurück. Als er wieder hinuntersah, war niemand mehr auf dem Hof.
     
    Er ging zurück ins Zimmer und rief die Miliz an. Die Einsatzgruppe kam nach zehn Minuten, und nach weiteren zwanzig Minuten
     traf ein Spezialistenteam des FSB ein, das am Boden des Wagens eine ziemlich starke Sprengladung entdeckte.
    »Tja, Stanislaw Wladimirowitsch, herzlichen Glückwunsch«, sagte der junge lächelnde FSB-Ermittler, »das Zeug hat eine Sprengkraft
     von rund dreihundert Gramm TNT.«
    »Vielen Dank«, erwiderte Stanislaw ironisch.
    »Schade, dass Sie die Täter so schlecht gesehen haben. Schade!« Der FSB-Mann schüttelte den Kopf und schnalztemit der Zunge. »Sonst könnten wir gleich ein Phantombild anfertigen. Konnten Sie die Gesichter wirklich gar nicht erkennen?«
    »Nein«, erwiderte Stas, »nur undeutliche Flecke. Und Stoffmützen.«
    »Vielleicht irgendwas Auffälliges? Bart, Schnauzbart?«
    »Nein. Der, der nicht unters Auto gekrochen ist, hatte ganz bestimmt keinen Bart. Über den Zweiten kann ich nichts sagen.
     Ich hab nur Hosen mit Streifen gesehen und helle Turnschuhe. Vielleicht warens auch keine Turnschuhe.«
    »Haben Sie irgendeine Vermutung?«
    Stas schüttelte wortlos den Kopf.
    »Und wenn Sie mal genau überlegen?« Der Ermittler trank einen Schluck von dem

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