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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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schön, schauen wir uns mal die Nase an.« Julia stand auf und trat zu dem Mädchen. »Drehen Sie sich bitte zum Licht, und
     den Kopf bitte etwas höher.«
    Endlich sah Julia das Gesicht der Unglücklichen.
    Wie sie schon vermutet hatte, war es harmonisch und hübsch. Ohne die krankhafte Magerkeit, die krumme Haltung und den gehetzten
     Ausdruck der Augen wäre das Mädchen eine echte Schönheit gewesen.
    »Nun, und was möchten Sie gern verändern?«
    »Alles«, flüsterte Swetlana kaum hörbar und schluckte krampfhaft.
    »Können Sie mir erklären, warum?«
    »Weil ich hässlich bin.«
    »Hat Ihnen das jemand gesagt oder ist das Ihre eigene Meinung?«
    »Das braucht mir niemand zu sagen. Das sieht man doch«, murmelte das Mädchen und krümmte sich noch stärker zusammen.
    »Stehen Sie bitte auf.« Julia führte sie zum Spiegel, schob ihr das Haar aus dem Gesicht und klopfte ihr mit der flachen Hand
     leicht auf den Rücken. »Gerade halten, halten Sie sich gerade. Den Kopf hoch. Wissen Sie, dass Sie ideale Gesichtszüge haben?
     Leute, die zu mir kommen, weil sie eine andere Nase wollen, wünschen sich in neun von zehn Fällen eine Nase wie Ihre. Sie
     sind ein sehr schönes Mädchen, Sie haben überhaupt keinen Grund …« Julia stockte, weil sie im Spiegel Swetlanas Gesicht sah.
     Es wirkte tatsächlich kläglich und hässlich, trotz der regelmäßigen Züge.
    »Na schön« – Julia seufzte –, »warten Sie bitte draußen. Ich muss mit Ihrer Mutter reden.«
    Als die Tür sich hinter dem Mädchen geschlossen hatte, stürmte die Mutter zu Julia, packte sie am Arm und flüsterte ihr ins
     Gesicht, wobei sie sie in teuren Parfümduft hüllte: »Das ist vollkommen zwecklos, Doktor. Man kann sagen, was man will. Sie
     hört nicht zu. Man muss irgendwas tun, aber ich weiß nicht, was. Ich bin furchtbar erschöpft. Swetotschka ist mein einziges
     Kind.«
    »Sie müssen zum Psychiater«, bemerkte die Schwester phlegmatisch.
    »Da waren wir schon«, schluchzte die Dame, »bei Psychiatern, bei Psychologen, bei zwei Wunderheilern, bei einem Hypnotiseur
     und sogar bei einer Hexe. Nichts hat geholfen. Ich flehe Sie an, operieren Sie sie, machen Sie irgendwas an Ihrem Äußeren,
     egal was, Nase, Augen, Lippen, schneiden Sie an der Taille was weg oder an den Hüften, Hauptsache, sie beruhigt sich und isst
     wieder normal. Ich zahle jeden Preis.«
    »Kennen Sie ihre Freundinnen?«, erkundigte sich Julia düster.
    »Was haben ihre Freundinnen damit zu tun?« Die Dame schneuzte sich laut.
    »Bei Mädchen entstehen solche Probleme häufig durch die Freundinnen, die gern alle möglichen Gehässigkeiten sagen, von wegen:
     zu große Nase, zu kleine Augen, zu dick.«
    »Ach, ich weiß nicht, ich weiß nicht.« Die Wassilkowa schüttelte den Kopf. »Es muss etwas geschehen, das ist doch der reinste
     Alptraum!«
    »Vielleicht ist sie unglücklich verliebt?«, mutmaßte die Schwester.
    »Sie meidet junge Männer wie die Pest. Wenn jemand sich für sie interessiert, glaubt sie, er will sie nur verhöhnen. Julia
     Nikolajewna, ich flehe Sie an, operieren Sie sie.«
    »Ihre Tochter braucht keine Operation.« Julia spürte, dass sie die Geduld verlor. »Ich weiß nicht, welche Spezialisten Sie
     konsultiert und was die Ihnen geraten haben, aber ihre Tochter braucht psychologische, möglicherweise psychiatrische Hilfe.«
    »Meine Tochter ist nicht verrückt!«, rief die Wassilkowa. »Wollen Sie etwa, dass man sie fürs ganze Leben mit einer schrecklichen
     Diagnose abstempelt? Dass man sie mit allen möglichen Psychopharmaka vollstopft, die schlimmer sind als Drogen?« Sie stürmte
     erneut zum Schreibtisch, stützte sich mit beiden Händen darauf und beugte sich zu Julia. »Brauchen Sie etwa kein Geld? Ich
     bezahle die Operation, und Sie sind verpflichtet, sie zu übernehmen!«
    Die Tür wurde aufgerissen, auf der Schwelle stand Swetlana.
    »Hör auf, Mama!«, rief sie mit hoher, überkippender Stimme. Sie lief zum Tisch, packte ihre Mutter am Arm und zog sie weg.
     Die schrie weiter, verließ jedoch türenknallend das Sprechzimmer.
    »Ein Irrenhaus«, kommentierte die Krankenschwester kopfschüttelnd.
    Julia nickte stumm. Sie hätte gern eine Zigarette geraucht und fünf Minuten still dagesessen, aber die Tür ging erneut auf.
     Der große junge Mann im schwarzen Anzug trat ein und verharrte auf der Schwelle.
    »Bitte setzen Sie sich. Ich höre.« Julias Blick glitt über sein rundliches, glattes Gesicht, und sie entschied, dass er

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