Outback Love
1
»Nein.«
Es war nur ein Flüstern, doch es drückte all die Hilflosigkeit aus, die Holly Stanton in diesem Moment überfiel.
Vergeblich versuchte sie, den Motor des Leihwagens wieder in Gang zu bringen, als eine erneute Welle des Schmerzes durch ihren Unterleib raste. Sie legte die Stirn auf das Lenkrad und konzentrierte sich auf eine ruhige und gleichmäßige Atmung.
Ein. Aus. Ein. Aus.
Die Wehe ließ nach, Holly angelte ein Papiertaschentuch vom Beifahrersitz und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Gleichzeitig stiegen ihr Tränen in die Augen. Wie hatte sie nur so naiv sein können? Wenn sie auch nur für fünf Minuten ihren Verstand eingeschaltet hätte, säße sie jetzt nicht hier fest. Auf einer staubigen Straße, mitten im australischen Outback, meilenweit entfernt von jeglicher medizinischer Hilfe. Um sie herum nichts als Sand, Steine, verdorrte Gräser und Fliegen – Tausende von Fliegen. Nicht einmal ein funktionierendes Handy hatte sie dabei, aber das hätte ihr hier draußen vermutlich sowieso nichts genutzt.
Marree war die nächste Siedlung, doch Holly hatte keine Ahnung, wie weit es bis dahin noch war. Es war etwa drei Stunden her, seit sie in Mungerannie getankt hatte. Dort war alles in bester Ordnung gewesen, sowohl mit dem Auto als auch mit ihr. Sie hatte etwas gegessen und war weitergefahren. Dann war plötzlich ihre Fruchtblase geplatzt und die Wehen hatten eingesetzt. Erst nur schwach und kaum spürbar, inzwischen jedoch immer stärker und in immer kürzeren Abständen.
Eigentlich war es zu früh. Zwei Wochen hätte sie noch Zeit gehabt. Jetzt würde sie ihr Baby hier in dieser Wildnis zur Welt bringen, irgendwo im Niemandsland von South Australia.
Und alles nur, weil …
Holly bemerkte eine Staubwolke im Rückspiegel. Sie drehte sich um und schaute aus dem Rückfenster des Jeeps, sah, dass der rötliche Nebel sich langsam näherte, und erkannte schemenhaft die Konturen eines Trucks.
Hastig öffnete sie den Sicherheitsgurt, drückte die Wagentür auf und kroch schwerfällig hinaus. Eine neuerliche Wehe rollte über sie hinweg, und gebeugt vor Schmerz stolperte sie auf die Straße.
»Boss …«
Im gleichen Moment trat Cameron Conell bereits fluchend auf die Bremse und riss das Lenkrad herum. Der hinterste von drei Aufliegern brach aus, brachte den gesamten Road Train ins Schlingern, und die zweihundert Rinder an Bord protestierten aufgeregt. Nur mit äußerster Anstrengung gelang es Cameron, das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bekommen und seine kostbare Fracht vor Schaden zu bewahren.
In einer riesigen Staubwolke kam der Truck zum Stehen, und wütend sprang Cameron aus dem Fahrerhaus, gefolgt von seinem Angestellten Adam Harlow.
»Sind Sie verrückt geworden?«, brüllte er, während er auf Holly zulief.
»Es tut mir leid.«
»Es tut Ihnen leid? Ist das …« In diesem Moment bemerkte er ihren gerundeten Bauch und ihr schmerzverzerrtes Gesicht, und schlagartig wurde ihm klar, was hier los war.
Scheiße, schoss es ihm höchst unfein durch den Kopf. Einmal im Jahr machte er diese Tour, und dann das. Plötzlich war seine Kehle wie zugeschnürt.
»Das ist kein guter Platz dafür, Lady«, sagte er unsicher. »Es wird doch hoffentlich noch ein bisschen dauern, oder?«
»Ich … ich weiß es nicht«, presste sie heraus. »Wie weit ist es bis Marree?«
»Etwa eine Stunde.«
»Können Sie …«, Holly krümmte sich erneut zusammen, »können Sie mich mitnehmen? Mein Auto ist kaputt.«
»In dem Zustand könnten Sie ja sowieso nicht mehr fahren«, brummte Cameron. Vorsichtig legte er ihr einen Arm um die Taille. »Kommen Sie.«
»Meine Tasche und mein Gepäck …«
»Adam, nimm die Sachen von der Lady«, befahl er, während er Holly zum Truck führte.
Behutsam hob er sie die Stufen zum Fahrerhaus hinauf und stellte erstaunt fest, dass sie trotz ihres Leibesumfangs leicht war wie eine Feder.
»Krabbeln Sie nach hinten in die Koje und legen Sie sich hin«, ordnete er an.
Holly quetschte sich zwischen den Sitzen hindurch und schob den Vorhang, der die Schlafkabine abtrennte, zur Seite. Mit einem leisen Stöhnen ließ sie sich auf die weiche Matratze sinken und schloss die Augen.
Sekunden später hatte Adam Hollys Handtasche und die kleine Reisetasche verstaut, und die beiden Männer kletterten wieder ins Fahrerhaus.
»Okay«, Cameron griff zum Zündschlüssel und nickte Adam zu, »hoffen wir, dass wir es bis Marree schaffen.«
Ein gequälter Aufschrei ließ ihn zusammenzucken und er wurde
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