Der Fisch
werden
soll!"
Sie gingen schließlich nach Hause und Mama
meinte, daß der Fisch eßbar sei. "Ich habe noch
nichts für das Abendbrot vorbereitet. Wenn Ihr
Hunger auf Fisch habt, dann mache ihn nachher
fertig..."
Die beiden Angler brummten nur etwas Unbestimmtes
vor sich hin und und warfen dann einen mitleidigen
Blick in den Eimer. Sie schienen von der Idee eines
Fischessens auf einmal nicht mehr sonderlich begei-
stert, obwohl sie doch genau deswegen an den See
gegangen waren.
Der Fisch bewegte sich kaum noch.
"Es sieht so aus, als würde er sich nicht
wohlfühlen", meinte Thomas. "Mir scheint, er
schnappt nach Luft..."
Michael machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Er ist doch im Wasser, wie soll er da Luft
holen?" Michael seufzte. "Außerdem..."
"Was, außerdem?"
"Na, er stirbt doch sowieso, wenn er in die
Bratpfanne kommt!"
"Ich glaube nicht, daß ich heute abend Hunger auf
Fisch habe", murmelte Thomas.
Und Michael schien es ähnlich zu ergehen.
"Ich auch nicht."
*
Die Stunden vergingen, aber die beiden
erfolgreichen Angler saßen nur lustlos herum und
wirkten irgendwie recht niedergeschlagen, wo sie
sich doch eigentlich hätten freuen können.
Schließlich hatten sie ja einen Fisch gefangen!
Endlich stand Thomas auf und sagte: "Wir bringen
ihn zurück!"
Michael hob die Augenbrauen.
"Den Fisch?"
"Ja, wir lassen ihn wieder frei."
Sie sahen sich kurz an und nickten dann beide.
Sie waren sich einig.
Es war das Beste.
Sie nahmen den Eimer und Mama runzelte die Stirn,
als sie damit loszogen.
"Aber ihr habt euch doch soviel Mühe gegegeben,
den Fisch erst einmal zu fangen!" gab sie zu
bedenken.
"Wir würden ihn ohnehin nicht essen." meinte
Michael. "Da können wir ihn auch wieder
freilassen, meinst du nicht?"
Mama lächelte.
"Wenn ihr meint..."
Es dauerte nicht lang
e und sie waren wieder am
Seeufer, fast genau an derselben Stelle, an der
sie zuvor gesessen und auf einen Fisch gewartet
hatten.
Bevor sie ihn dann wieder ins Wasser warfen,
sahen sie sich ersteinmal eingehend um.
Wenn man angelte und keinen Fisch fing, dann war
das ärgerlich. Wenn man aber einen Fisch gefangen
hatte und diesen dann wieder ins Wasser warf, weil
man es nicht übers Herz bringen konnte, ihn zu es-
sen, dann war das etwas, was niemand zu sehen
brauchte.
Als die Luft rein war, packte Michael den Fisch
und warf ihn ins Wasser.
Einen Augenblick lang sahen sie ihn noch, dann
war er fortgeschwommen.
Die Brüder atmeten fast hörbar auf.
"Der ist jetzt sicher froh, daß wir ihn nicht
gebraten haben!" meinte Thomas.
Michael nickte.
"Und ich bin auch froh", flüsterte er. "Wollen
wir hoffen, daß er keinem anderen Angler an den
Haken geht!"
Thomas lächelte.
"Er hat aus dieser Sache bestimmt etwas gelernt,meinst du nicht auch?"
Zum Abendbrot machte die Mutter Fischstäbchen,
die sie aus der Tiefkühltruhe geholt hatte.
Thomas und Michael schmeckte es ganz hervorragend.
Das, was sie jetzt vor sich auf dem Teller
hatten, war zwar ebenfalls unzweifelhaft Fisch -
aber keiner, dem sie in die Augen geschaut hatten,bevor er in die Pfanne gelegt wurde.
(c)Alfred Bekker (WWW.ALFREDBEKKER.DE)
DER FISCH wurde zuvor veröffentlicht
(in: Bella 19/92)
(in: Reutlinger Anzeiger ? April 92)
(in: Paulinus-Kalender 1993 - Okt.92)
(als DER FISCH GLOTZTE SO TRAURIG IN:Kasseler Sonntagsblatt 40/92)
(in: Meyers Modeblatt, Zürich, 44/92)
(in: Heinrichsblatt 47/92)
(in: Fischer & Teichwirt 12/92)
(als TRAURIGER BLICK EINES FISCHES in: Nordsee-Ztg.16.Jan.1993)
(als SORGE UM DEN KLEINEN FISCH AN DER ANGEL in:Dt.Tagespost Sa20.März93)
(in: Erdkreis 6/93)
(in: Unsere Kirche 34/93)
(in: Landkalender 1994)
(in Sonntagsgruß/Beilage zu Nr.10/12.Sep.1993)
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