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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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verwundert, gesiegt, ohne zu kämpfen.
    Wie war das möglich? Hatte ihre Entschlossenheit gereicht, den Gegner in die Flucht zu schlagen? Oder hatte Gott ihnen Hilfe gegen die Übermacht gesandt?
    Schon machte das Gerücht die Runde, jemand habe den heiligen Georg mit einem gewaltigen Heer weißer Reiter vom Himmel herabsteigen sehen, das den Wallfahrern zu Hilfe gekommen sei.
    Ich habe keine weißen Reiter gesehen, dachte Thomas verwirrt.
    »Hast du die Heiligen gesehen, von denen alle reden? Die vom Himmel gekommen und die Feinde verjagt haben sollen?«, fragte er Roland leise, als sie zurück ins Lager geritten waren, wo bereits Geistliche umhergingen, um von dem Wunder zu künden und Gott wortreich dafür zu danken.
    Zu seiner Überraschung war Roland nicht weniger skeptisch als er. »Wir tun wohl besser daran, ihr Kommen nicht laut und vor aller Augen zu bestreiten«, meinte er mit argwöhnischem Blick auf das Lager des Bischofs von Meißen.
    »Vielleicht sind wir nicht fest genug im Glauben, um sie zu sehen«, fragte sich Thomas eingedenk seiner vielen Zweifel.
    Roland hingegen betrachtete den überraschenden Ausgang dieses Morgens wie gewohnt nüchtern.
    »Wir haben sie nicht besiegt. Rutbeddin hat einfach entschieden, die Schlacht auf später zu verschieben und dann zu eigenen Bedingungen zu kämpfen. Vielleicht sind sie auch nur hierhergeritten, um uns ihre Übermacht zu zeigen. Die Entscheidung wird in Ikonium fallen.«
    Ikonium, so erzählten die Geistlichen, sei eine riesige Stadt, so groß wie Köln und unvorstellbar reich. Eine Stadt, in der der Apostel Paulus gewandelt sei und die Nahrung und Schätze im Überfluss versprach.
    Doch wie viele Mann unter Waffen diese gewaltige, reiche Stadt schützten und verteidigten, wollte sich Thomas in diesem Moment lieber nicht vorstellen.

Kampf um Ikonium
    N ach drei weiteren Marschtagen erreichte das Heer Friedrichs von Staufen völlig entkräftet am 17. Mai die königlichen Gärten südlich von Ikonium.
    Endlich gab es reichlich Wasser und Gras, schattenspendende Bäume und Blüten in leuchtenden Farben.
    Nach dem wochenlangen Marsch durch die Wüste glaubten sich die Männer fast im Paradies – nur dass sie immer noch nichts zu essen hatten.
    Am Abend setzte kräftiger Regen ein, wenig später begann es zu gewittern. Mit emporgereckten Gesichtern und ausgebreiteten Armen, lachend und taumelnd vor Freude und Hunger, empfingen die Durstenden das kühle Nass.
    Thomas und Roland hatten – ebenso wie ihre Knappen – eiligst die Gambesons ausgezogen, als der Regen immer kräftiger wurde. Dass die Kettenhemden durch die Nässe Rost ansetzten, mussten sie in Kauf nehmen. Dem ließ sich später abhelfen, indem man sie mit Sand scheuerte. Aber wenn der Gambeson vor Nässe aufquoll, war es schwierig, noch herauszukommen.
    Thomas nutzte die Gelegenheit, seine Wunde zu untersuchen, die pochte und sengende Hitze entwickelt hatte. Er hielt den verbundenen Arm in den Regen und wartete, bis das Wasser den blutigen Verband durchweicht hatte. Dann löste er die verklebten Binden und sah seine Befürchtung bestätigt: Der Arm war dick angeschwollen, die Wunde rot und entzündet.
    »Ich denke, Herr, jetzt sollte ich auf Euer Angebot zurückkommen«, meinte Rupert eher mitleidig und zögernd. »Oder soll ich den Benediktiner holen, damit er es ausbrennt? Einen Feldscher wollt Ihr vermutlich nicht rufen …«
    »Ich glaube kaum, dass einer von denen hier auftauchen würde«, brachte Thomas zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus, während er mit der Dolchspitze den Schorf anritzte und den Eiter ausdrückte, der sich darunter gesammelt hatte.
    Im Lager wusste mittlerweile beinahe jeder, dass es Streit zwischen dem jungen Meißner und einem der Wundärzte gegeben hatte – ein sehr unkluges Verhalten für einen Ritter, wie die meisten fanden. Nicht nur das Können des Feldschers vermochte nach der Schlacht zu entscheiden, ob ein Verwundeter überlebte oder nicht; meistens entschied schon sein Erscheinen oder Fernbleiben darüber. Viele Verletzte verbluteten einfach auf dem Schlachtfeld, weil sich niemand ihrer annahm.
    Zu Thomas würde nun wohl kaum einer der Wundärzte kommen, nachdem dieser einen der Ihren angebrüllt und seine Methoden vor aller Augen in Frage gestellt hatte.
    »Hier, wasch das aus«, sagte er und drückte Rupert die blutverkrusteten Leinenstreifen in die Hand.
    Während der Knappe widerspruchslos zu einer der Quellen ging, musterte Thomas seine Wunde,

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