Der Frauenhaendler
Sie, nehme ich an.«
Ich drücke die Hand, die Luisa mir hinhält. In meinem Geist ist Luisa eine Unbekannte.
»Sehr erfreut, Signora. Ich muss sagen, dass unser Land aufs Beste von Ihnen repräsentiert wird.«
Carla antwortet nur mit einem Nicken und einem angespannten Lächeln.
Ich trete einen Schritt zurück.
»Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Die Pflicht ruft.«
Damit begebe ich mich wieder zur Rezeption.
Ich frage mich, wie ich mich fühle.
Wer kann das schon sagen?
Ich nicht, nicht in diesem Moment, in dem ich gerade mal wieder erfahren habe, dass die Welt wirklich klein ist. In diesem Moment, in dem das Chaos und der Zufall mich daran erinnert haben, dass sie nie schlafen und die Regel immer dieselbe bleibt. Du kannst versuchen zu entscheiden, was du mit deinem Leben anfangen willst, aber häufig ist es das Leben, das entscheidet, was es mit dir anfängt.
Am Rezeptionstresen lasse ich mir von einer der Mitarbeiterinnen das Telefon geben und rufe meine Sekretärin an. Sie meldet sich beim ersten Klingeln.
»Rosita Seguro.«
»Rosita, tun Sie mir einen Gefallen. Sagen Sie sofort Helizondo, Manzana, Cortes und Llosa Bescheid, dass mir etwas dazwischengekommen ist. Fragen Sie sie, ob wir die heutige Sitzung verschieben können. Sie sollen uns den Termin nennen, der ihnen am besten passt.«
»Wird gemacht, Signor Sangiorgi.«
Ich gebe der Angestellten den Hörer zurück und mache mich auf den Weg in mein Büro, das ich mir im Gebäudeteil gegenüber von der Küche eingerichtet habe. Sobald ich dort bin, in Sicherheit, schenke ich mir ein Glas Wasser ein.
Ich trinke es in einem Zug aus. Das erinnert mich an meinen Vater, der es vor so langer Zeit genauso gemacht hat. Diesen Mann verstehe ich immer noch nicht, aber ich verstehe das Bedürfnis nach Wasser in bestimmten Momenten. Ich setze mich hinter den Schreibtisch und überlasse mich der Bequemlichkeit meines Ledersessels.
Das Treffen habe ich verschoben, weil ich mir sicher bin, dass ich nicht die nötige Konzentration aufbringe, um über Geschäfte zu reden. Ich könnte nicht in die Gesichter dieser Leute schauen, Worte aussprechen und Worte anhören, mit anderen in einem Raum sein. Nicht, kurz nachdem die Vergangenheit zurückgekehrt ist und ich in meinen Augen Carlas Augen wiedergefunden habe.
Mit dir würde ich auch umsonst mitgehen …
Jahre sind vergangen, und doch ist es in meinem Gedächtnis so lebendig, dass es gerade erst zu geschehen scheint. Daytonas Strähnen über der Glatze, der kühle Morgen vor dem Ascot, die Tulpe mit ihrer Taschenlampe, die schließlich in hohem Bogen in der Dunkelheit verschwindet, Tano Casales Stimme, Lucios Brille, Carmines Gesicht …
Kein Detail, kein Wort, keine Farbe fehlt.
Vor allem nicht das Rot des überall verspritzten Bluts.
In der Stille der Gedanken höre ich es klopfen.
»Ja?«
Die Tür öffnet sich, und das Gesicht eines Mitarbeiters erscheint.
»Signor Sangiorgi, hier ist eine Signora, die gerne mit Ihnen sprechen würde.«
Ich seufze. Dass es so schnell geschehen würde, hätte ich nicht gedacht. Irgendetwas klopft irgendwo auf ungebührliche Weise. So viel Zeit auch vergehen mag, das Herz wird immer ein Verräter sein.
»Bitte sie herein.«
Ich stehe auf und warte, bis Carla eingetreten ist. Dann zeige ich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. Sobald sie Platz genommen hat, setze auch ich mich wieder.
Ich schaue sie an. Zehn Jahre haben ihre Schönheit noch einmal veredelt. In ihr liegt die ruhelose Seligkeit der Zeit, die dem Sonnenuntergang vorausgeht, wenn die Sonne noch lebhafter und heißer zu scheinen scheint, um Vergebung für das baldige Eintreten der Dunkelheit zu erlangen. Haarschnitt und Haarfarbe orientieren sich immer noch an der Linie, die Alex seinerzeit vorgegeben hat.
Die Augen sind wie immer. Ich glaube, dass sie immer so sein werden.
Ich hätte eine andere sein und dich unter anderen Umständen kennen lernen mögen. Es hätte alles so schön sein können …
War es aber nicht.
»Ciao, Bravo.«
Wider Willen muss ich lächeln.
»Es ist Jahre her, dass mich jemand so genannt hat.«
»Ich habe immer gedacht, dass der Name perfekt zu dir passt.«
Ich schweige. Sie fährt fort.
»Stattdessen treffe ich dich nach so vielen Jahren mit einem Namen wieder, an dem schwer zu tragen sein muss.«
»Es ist eben mein Name. Früher habe ich gedacht, dass einer so viel wert sei wie der andere und dass es keinen Unterschied mache.«
Ich gönne mir eine
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