Der Frauenkrieg (German Edition)
beide, einen neuen Blick austauschend.
Canolles ermannte sich bald und sagte: »Ich bin es.«
Der Kerkermeister näherte sich ihm.
»Ihr wart Festungs-Gouverneur?« – »Ja.«
»Aber ich war auch Festungs-Gouverneur; ich nannte mich auch Canolles,« sagte Cauvignac. »Wir wollen uns deutlich erklären, damit keine Täuschung obwalten kann. Was mir mit dem armen Richon begegnete, ist genug, und ich will nicht noch den Tod eines andern verursachen«.
»Ihr nennt Euch also gegenwärtig Canolles?« fragte der Kerkermeister.
»Ja,« antwortete Canolles.
»Und Ihr nanntet Euch früher Canolles?« sagte der Kerkermeister zu Cauvignac.
»Ja,« antwortete dieser; »ja, früher, nur einen Tag, und ich fange an zu glauben, daß ich an diesem Tage einen albernen Gedanken gehabt habe.« »Und Ihr seid beide Festungs-Gouverneure?« – »Ja.« »Nun, eine letzte Frage, die alles aufklären wird. Welcher von Euch ist Madame Nanon von Lartigues' Bruder?« Hier machte Cauvignac eine Grimasse, die in einem minder feierlichen Augenblick komisch gewesen wäre und sagte: »Und wenn ich ihr Bruder wäre, was dann, mein Freund?«
»Ich würde Euch sagen, Ihr solltet mir auf der Stelle folgen.«
»Pest!« murmelte Cauvignac.
»Aber sie hat mich auch ihren Bruder genannt,« sagte Canolles, der versuchen wollte, etwas von dem Sturme abzuwenden, der sich sichtbar auf dem Haupte seines unglücklichen Gefährten sammelte.
»Einen Augenblick,« versetzte Cauvignac, ging an dem Kerkermeister vorüber und nahm Canolles beiseite; »einen Augenblick, mein edler Herr, es ist nicht billig, daß Ihr unter solchen Umständen Nanons Bruder sein sollt. Ich habe bis jetzt andere Menschen genug für mich bezahlen lassen, und die Gerechtigkeit fordert, daß ich nun ebenfalls bezahle.«
»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Canolles.
»Oh! das wäre zu lang,« antwortete Cauvignac; »überdies wird unser Kerkermeister schon ungeduldig. Gut, gut, mein Freund, seid ruhig, ich komme. Gott befohlen, teurer Gefährte,« fuhr Cauvignac fort; »es sind wenigstens alle Zweifel in der Hinsicht gelöst, daß ich zuerst hinübergehe. Gott gebe, daß Ihr mir nicht zu bald folgt. Nun fragt es sich nur noch, welche Todesart beschlossen worden ist. Teufel, nur nicht der Strang! Doch, ich gehe, Ihr seid sehr eilig, »mein Lieber! Auf, mein teurer Bruder, mein teurer Schwager, mein teurer Gefährte, mein teurer Freund, ein letztes Fahrewohl!«
Er reichte Canolles seine Hand, der sie liebevoll drückte; dann wandte er sich an den Kerkermeister mit den Worten: »Ich bin der Madame Nanon von Lartigues Bruder; kommt, mein Freund!«
Der Kerkermeister ließ sich das nicht zweimal sagen und führte Cauvignac fort, der von der Türschwelle aus Canolles ein letztes Zeichen machte. Dann schloß sich die Tür, die Tritte entfernten sich im Gange, und alles versank in eine Stille, die dem Schweigen des Todes glich.
Während Canolles in einer mit Schrecken gemischten Traurigkeit sich verlor, denn diese Art, einen Menschen nächtlicherweise ohne Geräusch, ohne Vorbereitungen, ohne Wachen fortzuführen, war gräßlicher, als alle Vorkehrungen zu einer Hinrichtung beim hellen Sonnenscheine, folgte Cauvignac dem Kerkermeister in dem düsteren Gange, in ernste Gedanken vertieft und ohne ein Wort zu sprechen.
Am Ende des Ganges schloß der Kerkermeister die Tür ebenso sorgfältig, wie er dies bei Canolles' Kerker getan hatte, und nachdem er eine Zeitlang auf ein dumpfes Geräusch gehorcht, das vom untern Stockwerk heraufstieg, sagte er, sich jäh zu Cauvignac wendend: »Auf, vorwärts, mein edler Herr.«
»Ich bin bereit,« antwortete Cauvignac mit möglichster Würde.
»Schreit nicht so laut,« versetzte der Kerkermeister, »und geht schneller.«
Und er eilte auf eine Treppe zu, die in die unterirdischen Kerker führte.
»Oh! oh!« sagte Cauvignac zu sich selbst, »sollte man mich zwischen vier Wänden erdrosseln oder in eine Versenkung stoßen wollen? Dieser Kerkermeister ist klein, ich bin groß; er ist schwach, ich bin stark; er ist vor, ich bin hinten; ich habe ihn bald erwürgt, wenn ich will, und kann mit den Schlüsseln mir die Freiheit verschaffen.«
Cauvignac streckte schon seine knochigen Hände aus, um sein Vorhaben auszuführen, als der Kerkermeister, voll Schrecken sich umwendend, ihm zuflüsterte: »Still! Hört Ihr nichts?«
Cauvignac aber fuhr mit sich selbst sprechend fort: Noch weiß ich nicht, was diese Geschichte bedeuten soll.
Plötzlich blieb er
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