Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Frauenmörder

Der Frauenmörder

Titel: Der Frauenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Bettauer
Vom Netzwerk:
Baß dem Reichstagspräsidenten zu: "Der reinste Sherlock Holmes."
    Dengern sprach ruhig weiter.
    "Und noch etwas: Der trostlose Zustand der hinterlassenen Kleidungsstücke aller Verschwundenen war ein unantastbarer Beweis für ihre Armut. Und doch hatte jede für längere Zeit die Miete vorausbezahlt. Auch das war auffällig und erweckte ein unbehagliches, unsicheres Gefühl in mir. Da ich aber um jeden Preis an einen Frauenmörder glauben wollte, unterdrückte ich dieses wie jedes andere Bedenken und begann nach einer Fährte zu suchen. Was weiter geschah, habe ich bei meiner gestrigen Vernehmung ausführlich geschildert. Mit unerhörter Ungeschicklichkeit lief mir der, Mann in die Arme, der die Heiratsannonce unter der Chiffre "Jdylle an der Havel" aufgegeben hatte. Mit einer Unvorsichtigkeit, die mir wieder verdächtig erschien. Aber Beweis reihte sich an Beweis, alles stimmte und klappte, das Material war erdrückend, so sehr, daß es jeden Zweifel in mir erstickte. Auf dem Umweg über eine junge Dame, Redaktionssekretärin des "Herold", machte ich die Bekanntschaft des Thomas Hartwig. Diese junge Dame, Fräulein Lotte Fröhlich, wurde von mir in den Fall Hartwig nicht verwickelt. Einerseits, weil ich dies Hartwig bei seiner Verhaftung versprochen, andererseits, weil ich sie für absolut unbeteiligt an den Verbrechen Hartwigs gehalten hatte. Tatsachlich würde sich nicht das geringste geändert haben, wenn ich sie als Zeugin vorgeführt hätte.
    Nachdem ich mit Thomas Hartwig eingehend unter falscher Flagge gesprochen und ihn dann verhaftet hatte, waren mir die Motive seines entsetzlichen Handelns ziemlich klar. Ein sentimentaler Mensch, Schwärmer, romantisch veranlagt. Solche Leute sind leicht geneigt, das Unwahrscheinlichste zu tun, Heldentaten ebensogut wie Verbrechen. Sie lassen sich kreuzigen, aber sie sind auch fähig, Bomben zu werfen. Das Besondere an Hartwig aber: Er weiß, daß er ein großer Könner, ein genialer Dichter ist, und sieht dabei keine Möglichkeit, den Wall von Hindernissen, die sich ihm entgegenstellen, zu übersteigen. Sein Buch wird nicht gelesen, sein Stück nicht aufgeführt, er hat kein Geld, oft nicht satt zu essen, ist schwächlich, fühlt, daß er das elende Leben nicht lange ertragen kann, wird von dem Gedanken geschreckt, das Erbteil seiner Mutter, Lungentuberkulose, könnte auch ihn erfassen, wenn er nicht in die Lage kommt, sich kräftig zu nähren, gut zu leben. Dazu kommt noch sein Verhältnis zu Lotte Fröhlich, einem schönen, alle Sinne reizenden, klugen Geschöpf, das er ebenso liebt wie es ihn. Er wird immer verzagter, aber auch seine Entschlossenheit wächst, durch eine Gewalttat seine Lage zu verbessern, so daß er ausharren, seinen Roman und das Drama durchsetzen Lotte heiraten kann. Und da er, wie er mir ja auch im Gespräch sagte, seinen eigenen Wert hoch über den anderer Menschen stellte, war er schließlich zu jedem Verbrechen bereit.
    Zu jedem, aber zu welchem Verbrechen? Einen Raubmord begehen — das ist leicht gesagt, aber schwer getan! Zu jedem erträgnisreichen Verbrechen gehören Genossen, Vorschule, besondere verbrecherische Eigenschaften. Nichts von dem hat Hartwig. Und er mag lange genug gegrübelt und nachgedacht haben, bis er auf die entsetzliche Idee kam, sich die leichtesten Opfer, heiratstolle, alleinstehende Mädchen auszusuchen."
    Eine Atempause, in der sich auch die Erregung der Zuhörer Luft machte. Wohinaus wollte dieser unheimliche Dengern? War nun Hartwig der Mörder oder nicht? Fragend sah der Reichskanzler den Präsidenten an, dieser zuckte die Achseln. Hartwig aber war jetzt ganz blaß und hielt den Kopf so gebeugt, daß man sein Gesicht nicht sah. Dengern sprach weiter.
    "Trotz dieser logischen Kette packten mich immer wieder neue Zweifel, schrie immer wieder eine innere Stimme mir zu: Thomas Hartwig ist kein Mörder! Schlimme Tage und schlaflose Nächte kamen für mich, ich begann tastende Versuche nach anderen Richtungen zu machen, forschte abermals auf eigene Faust nach Spuren der Verschwundenen — alles vergebens, alles wies auf Hartwig hin, der nicht sprechen wollte, nicht leugnete und nicht gestand.
    Eines Tages kam ich dem Rätsel gewaltig näher, nur daß ich leider die Lösung mißverstand. Ich schlich mich in das Zimmer, das Fräulein Lotte bewohnt, hatte aber wenig mehr als drei oder vier Minuten Gelegenheit, mich in ihm allein aufzuhalten. Es fiel mir nichts Besonderes auf: fast instinktiv griff ich nach Büchern, die auf

Weitere Kostenlose Bücher