Der Frauenmörder
sich alles nach ihrer Wohnung am Lützow-Ufer hatte bringen lassen. In seinen Büchern fand er auch ohne weiters den Namen und die Adresse des Fräuleins Lotte Fröhlich.
Ich wohnte der Premiere im Kleist-Theater bei, überzeugte mich in den Pausen, daß die Randbemerkung in dem französischen Roman nicht die Handschrift Hartwigs, sondern die einer Frau sei und sagte nach Schluß der Vorstellung Fräulein Fröhlich auf den Kopf zu, daß sie mit den verschwundenen Mädchen identisch und die Mitspielerin bei einer beispiellosen Komödie sei. Fräulein Fröhlich lachte hell auf, versuchte gar nicht zu leugnen, folgte mir in ein Weinrestaurant und erzählte mir dort frisch und frei die ganze Geschichte. Die junge Dame befindet sich im Gerichtsgebäude und wird ihre Aussagen vor dem hohen Gerichtshof wiederholen. Und auch Herr Hartwig wird ja nun wohl sprechen und es mir nicht übel nehmen, wenn ich ihm mit den Enthüllungen, die er machen wollte, zuvorgekommen bin!"
Aus dem Dunkel empor!
D engern verneigte sich, trat zurück. Und nun erhob sich ein Sturm, wie ihn das Gerichtsgebäude in Moabit noch nie erlebt hatte. Dröhnendes Gelächter, Schluchzen, Rufe der Entrüstung wurden laut, Leute klatschten Beifall gegen Hartwig zu, andere zischten. Der Staatsanwalt schrie das Wort "Blasphemie" unaufhörlich vor sich hin, der Präsident brüllte "Ruhe!", der Verteidiger stand bleich und fassungslos da und zitterte am ganzen Leib, die Berichterstatter drängten rücksichtslos zur Tür, um die Fernsprecher zu stürmen. Und schon hatte irgendwie die Menschenmasse auf der Straße etwas von den Vorgängen erfahren und auch draußen wogte und brauste es wie am Meeresstrand.
Endlich war die Ruhe soweit hergestellt, daß sich der Präsident Gehör schaffen und dem Staatsanwalt das Wort erteilen konnte. Der stand mit geballten Fäusten da, Speichelflocken auf den Lippen und wollte losdonnern. Aber nein, was war das? Saß da nicht der Reichskanzler und krümmte sich vor Lachen? Jawohl, der Reichskanzler prustete und lachte, daß ihm das Wasser aus den Augen lief, und hörte nicht auf zu lachen, war eben im Begriff, das Taschentuch in den Mund zu pressen, um seine Lachsalven weniger laut zu gestalten.
Blitzschnell verschoben sich die Begriffe und Empfindungen im Gehirn des Staatsanwaltes. War die Sache nicht eigentlich mehr komisch als empörend, wenn sie derart die Heiterkeit des ersten Beamten im Staate erregte? Und würde er sich nicht blamieren, wenn er, statt halbwegs gute Miene zum grotesken Spiel zu machen, seiner Entrüstung Ausdruck geben wollte? Die Überlegung dauerte nicht eine ganze Sekunde, dann sprach der Staatsanwalt gelassen und kühl:
"Wir haben hier Ungeheuerliches erlebt und müssen vorläufig dem Herrn Kriminalkommissär von Dengern für seine lichtvollen Ausführungen danken. Bevor ich aber aus diesen Ausführungen die notwendigen Konsequenzen ziehe, beantrage ich, das anwesende Fräulein Lotte Fröhlich hereinzurufen und als Zeugin zu vernehmen, ferner in der Zwischenzeit den Trödler Goldlust vorzuladen und auch die bereits vernommenen Zeuginnen, die Fräulein Fröhlich als ihre Mieterin identifizieren sollen. Nachher bitte ich, nochmals den Angeklagten zu befragen."
Der Präsident gab den Anträgen Folge und gleich darauf betrat, von tausend Augen durchbohrt, Lotte Fröhlich den Saal.
Sofort hatte die sieghafte Schönheit, die mädchenhafte Anmut der Zeugin alle Herzen erobert. Der Reichskanzler, über dessen Gesicht es noch immer zuckte, klemmte sein Monokel ein und betrachtete ersichtlich wohlgefällig das Mädchen, worauf Präsident und Staatsanwalt mit ihr sehr höflich waren.
Lotte Fröhlich erklärte sich bereit, zusammenhängend zu erzählen. Was sie berichtete, bestätigte die Aussagen Dengerns vollinhaltlich. Seit Jahr und Tag hatte sie beobachtet, wie ihr heimlich Verlobter immer mehr verbittert und mutlos wurde. "Ich sah voraus, daß er eines Tages alle seine Hoffnungen begraben, den Glauben an sich selbst verlieren und ganz in der Tagesjournalistik untergehen würde. Ich wußte, daß er oft bittere Not litt, sich das Abendessen versagte, um mir ein paar Blumen schenken zu können, und nachts Adressen schrieb, um wenigstens etwas zu verdienen. Dabei durfte ich ihm nicht helfen, auch wenn ich es hätte tun können. Denn Hartwig ist stolz und empfindlich und mehr als einmal erklärte er es als Vergehen zu empfinden, daß er mein Leben an seine Hoffnungslosigkeit knüpfe. In solcher Stimmung las
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