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Der Fremde aus dem Meer

Titel: Der Fremde aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
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jemanden zu finden.
    Lieutenant Bindar beobachtete sie aus dem Steuerhaus heraus. Miss Penelope Hamilton war die erotische Fantasie jeden Mannes: Langbeinig, rothaarig, sinnlich und von vornehmer Zurückhaltung. Ihr marineblaues Kleid lag eng an und war nach Seemannsart weiß paspeliert. Und er wusste, dass sich unter dem breiten Hut grüne Augen mit dichten Wimpern verbargen. Die steife Brise schlug den langen Zopf gegen ihren Rücken, und es schien ihr nichts auszumachen, dass die Gischt ihre Schuhe durchnässte. Dann senkte sie plötzlich den Kopf, und ihre Schultern begannen, Mitleid erregend zu zittern. Bindar wandte sich wieder der Schalttafel zu und gab den Befehl »Volle Kraft voraus«. Er hatte eine Aufgabe zu erledigen: Zu der Stelle zurückzukehren, wo die olympische Turnerin Tess Renfrew zum letzten Mal gesehen worden war.

3
    Westindische Inseln 1789
    Ramsey O’Keefe schlenderte über das Deck der Sea Witch, fragte nach dem Captain und fand Dane, wie er am Bugspriet lehnte, in enger Umarmung mit seiner Frau. Ihm wurde fast übel, als er sah, wie glücklich die beiden aussahen.
    »Duncan hat mich gebeten, dir das zu geben.«
    Das Paar löste sich kaum voneinander. Sie kleben zusammen wie Pech und Schwefel, dachte Ramsey und übergab Tess das brüchige Schreiben.
    Sie starrte ihn fragend an. »McPete sagt, dass es aus deiner Handtasche gefallen ist, als er deine Kabine aufgeräumt hat«, erklärte Ram.
    Dane räusperte sich und sah seine Braut lächelnd an.
    Dieses Lächeln ist verdammt unziemlich, dachte Ram neidisch, und musste daran denken, wie die Kleider der beiden um die Kajüte des Captains verstreut waren. Sie hatten wohl eine heiße Liebesnacht miteinander verbracht. Er sah hinaus aufs Meer. Oft genug hatte er selbst solche Nächte genossen, mit einer derben Hure oder einer feinen Lady. Doch in letzter Zeit hinterließ ein solch wollüstiger Ritt zwischen willigen Schenkeln nichts als unangenehmen Abschied und bloße körperliche Lust. Insgesamt fühlte er sich unbefriedigt. Solche Nächte waren ohne Bedeutung. Beinahe schmerzhaft. Früher hatte ihn das nie beschäftigt, weil es das Einzige gewesen war, was er gesucht hatte. Doch die sinnlichen
    Freuden im Bett hatten für ihn inzwischen ihren Reiz verloren. Er schätzte die Frauen, deren Gesellschaft er früher gesucht hatte, nicht mehr. Allerdings erst, seit er Tess kennen gelernt hatte. Er wollte mehr.
    »Alles okay, Ramsey?«, fragte sie, wobei sie ihre Augen mit der Hand vor der Sonne schützte.
    Er wandte sich ihr wieder zu. Sie erkundigt sich wohl nach meiner Gesundheit, entschied er. »Gewiss, sehe ich denn nicht kerngesund aus?« Er strahlte und verschränkte die Arme vor der Brust, sodass sich der dunkle Stoff über einem Brustkorb von beträchtlichem Umfang spannte.
    »Bist du auf der Jagd nach Komplimenten, O’Keefe?«
    »Von dir, Mädchen?«, fragte er mit gespieltem Erstaunen.
    Sie lächelte voller Liebreiz. »Seit du letzte Woche das Beste aus dir herausholen musstest, bist du auf Draht, wie ich sehe.«
    Ramsey lachte in sich hinein. Gott segne sie. Das Mädchen war unverwüstlich. Rothmere hatte sie als Geisel genommen, hatte versucht, sie umzubringen, hatte unschuldige Menschen vor ihren Augen ermordet, und - wie es schien - war sie aus all diesen Ereignissen heil und unversehrt hervorgegangen. Während er ihre schlanke Gestalt in den Männerkleidern ansah, fragte sich Ram zum wiederholten Male, was er an dieser Frau wohl so faszinierend fand. Ihre merkwürdige, abgehackte Sprechweise? Ihre scharfe Intelligenz? Oder verbarg sich das Verführerische an ihr unter der wild entschlossenen Unabhängigkeit, die sie wie eine zweite Haut trug, obgleich er doch wusste, dass sie Dane grenzenlos liebte? Woher stammte sie, und wie war sie überhaupt ins Meer gelangt? Dane hatte nie darüber gesprochen, und Ram hatte es als wohlgehütetes Geheimnis akzeptiert.
    Sie war eine außergewöhnliche Frau, anders als jede andere Frau, die er gekannt hatte. Er hatte sie in Öl gemalt, um das Bild dieses bezaubernden Geschöpfs für immer festzuhalten. Und obwohl er sie nur an ihrem Hochzeitstag geküsst hatte, hatte er gewusst, dass er mehr als bloß eine vornehme Dame an seinen Freund Dane verloren hatte. Als ob er auch nur die geringste Chance gehabt hätte, rief er sich selbst zur Räson. Er trat zurück, um ihr die Gelegenheit zu geben, ihren Brief ungestört zu lesen. Er hatte sofort bemerkt, dass sie ihm nur schwesterliche Gefühle

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