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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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capolavoro zu schaffen, und es auch beinahe zustande gebracht hätte. Zwar war er kein Fußballfan wie ich, doch er wusste haargenau, welche Emotionen dieser Sport auslöst, und so kam er auf die Idee, die Barça-Stammformation zu entführen und von jedem Klubmitglied ein Lösegeld von zehn Peseten zu fordern, womit er über eine Million verdienen würde, ohne dadurch jemanden in den Bankrott zu treiben. Der Plan sah vor, auf einer ihrer Reisen das Flugzeug der Spieler und ihrer Betreuer in seine Gewalt zu bekommen. Da er nicht nur über Phantasie, sondern auch ein beträchtliches handwerkliches Geschick verfügte, entwarf und baute er aus Holz, Plastik und Metall einen Spielzeugmüllwagen, den man auseinandernehmen und zu einem 67er Smith-&-Wesson-Revolver, Kaliber 38, umbauen konnte, zwar ebenfalls ein Spielzeug, aber höchst effizient. Als das Artefakt nach monatelanger Arbeit fertig war, brachte er das Datum in Erfahrung, an dem die Fußballmannschaft reisen musste, kaufte ein Ticket für denselben Flug und ging mit der Lastwagen-Pistole an Bord, ohne Verdacht zu erwecken. Nach dem Start und nachdem der Flugkapitän das Anschnallzeichen ausgeschaltet hatte, klappte er den Klapptisch herunter und begann den Lastwagen umzubauen. Der Flug war unruhig, und die Nervosität besorgte den Rest: Als der Sinkflug zum Flughafen Santander begann, wo Barça gegen die lokale Mannschaft (Racing) anzutreten hatte, lagen viele Teile des Lastwagens noch verstreut auf dem Klapptisch, und einige kullerten zwischen den Schuhen der Passagiere umher. Die Stewardess beschwor ihn, den Tisch hochzuklappen und seine Rückenlehne senkrecht zu stellen, und Romulus blieb kaum noch Zeit, die restlichen Teilchen einzusammeln und einzustecken.
    Von diesem Misserfolg ließ er sich nicht entmutigen: In den Stunden zwischen der Ankunft und der Rückreise der Spieler setzte er sich auf eine öffentliche Bank gegenüber dem El-Sardinero-Stadion und übte sich in der Zusammensetzung der Waffe, bis er alle Handgriffe perfekt beherrschte. Er hatte Glück und bekam einen Platz in der Maschine, in der die Mannschaft nach dem Spiel zurückflog. Es war schon dunkle Nacht und das Licht in der Kabine nicht sehr hell, und wie schon bei der Anreise wurde das Flugzeug von Böen geschüttelt. Trotzdem gelang es ihm, den Lastwagen rechtzeitig zu zerlegen und zum Revolver umzubauen. Allerdings war bei dem Gerüttel keine Präzisionsarbeit möglich – der Pistolenlauf schaute nach oben, der Abzug fehlte, und das Ganze sah eher nach Gießkanne als nach sonst etwas aus, doch in den Händen eines entschlossenen Mannes konnte die gewünschte Wirkung nicht ausbleiben. Romulus zauderte nicht: Er zog ein Tuch aus der Tasche, öffnete den Sicherheitsgurt und stand auf. Da er vergessen hatte, den Tisch hochzuklappen, erhielt er einen kräftigen Schlag in den Magen. Gekrümmt, mit der einen Hand das Taschentuch über den unteren Teil des Gesichts, mit der anderen den Revolver haltend, schritt er entschlossen durch den Gang und rief:
    «Aus dem Weg! Aus dem Weg! Keine Bewegung, und es wird Ihnen nichts geschehen!»
    Die Passagiere duckten sich mit Schreckensgesten und -schreien in ihren Sitzen und bedeckten das Gesicht mit den Händen oder der Bordzeitschrift Ronda Iberia . Im Nu stand er vor dem Cockpit, riss die Tür auf, drang mit Gebrüll ein und schloss die Tür wieder hinter sich. Da merkte er, dass er in seiner Hast die falsche Richtung eingeschlagen hatte und in die Hecktoilette eingedrungen war. Über den Lautsprecher gab der Pilot die Anweisungen für die Landung auf dem Flughafen El Prat durch. Wütend und mit zitternden Händen zerlegte er die Pistole wieder, versteckte einmal mehr die Teilchen in den Hosentaschen und verließ sein Gefängnis. Im Gang stieß er auf keinen Geringeren als Andoni Zubizarreta, der ihn im Namen der ganzen Mannschaft fragte, ob es ihm wieder besser gehe. Er nickte, bedankte sich, entschuldigte sich bei Passagieren und Stewardessen mit dem Hinweis, er sei bei den Turbulenzen plötzlich unpässlich geworden, und beschloss, die Ausführung seines Plans auf später zu verschieben. Weitere Unannehmlichkeiten, etwa verhaftet, wegen eines früheren Vergehens verurteilt und ins Sanatorium gesteckt zu werden, zwangen ihn, das Vorhaben auf unbestimmte Zeit zu vertagen, doch seine Entschlossenheit schwand ebenso wenig wie seine Überzeugung, dass, wären da nicht ein oder zwei mit der Erfahrung leicht zu korrigierende geringfügige Details

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