Der Fruehling des Commissario Ricciardi
sollte. Und ich sollte noch besser aufpassen als sonst, weil Emma auf keinen Fall dahinterkommen durfte, wer ich bin, also dass ich der Sohn meiner Mutter bin, will ich sagen. Ihr wisst ja, dass eine Mutter einzigartig ist, wenn du Hilfe brauchst, ist sie für dich da. Wozu wäre sie auch sonst nütze?
Also werde ich Emmas Geliebter. Ich weiß wie, ich habe Übung darin. Jede Nacht geh’ ich zu Mama, sie lässt mir die Tür offen, ich gehe die Treppe hoch, nachdem die Pförtnerin das Licht gelöscht hat, das sehe ich von der Straße aus. Und sie sagt mir, was ich tun soll. Emma verliebt sich, kann nicht mehr ohne mich leben. Ich schlafe mit ihr, sie gefällt mir. Mama sorgt dafür, dass sie ihre Geldangelegenheiten regelt und alles mit ihrem Mann klärt, den ziehen wir aus bis auf die Unterhosen, sagt Mutter zu mir, diesmal gewinnen wir das Kartenspiel. Und verschwinden mit dem ganzen Geld, sagt Mama.
Emma lebt wie ein Mann, sagt Mama, sie raucht und fährt selbst Auto: Sie könnte jederzeit einen Unfall haben mit ihrem roten Wagen. Zuerst mal schnappen wir uns das Geld und verschwinden. Dann wird man schon sehen wegen des Unfalls.
Mama lacht und streichelt mich. Ich mag es, wenn sie lacht. Das heißt, dass alles in Ordnung ist.
Dann kommt Emma eines Abends völlig verheult ins Theater. Sie sagt, dass Schluss ist, wir uns nicht mehr sehen können. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, für so was ist meine Mutter zuständig. Ich muss zu ihr, aber an dem Tag geht’s nicht, weil die Pförtnerin das Licht nicht löscht,ihre bekloppte Tochter ist spät schlafen gegangen. Ich geh’ also am nächsten Tag hin und frage Mama, was los ist. Sie wird’s mir schon erklären, Sie werden sehen, meine Mama ist klug. So sind wir beide: vollkommen. Ich schön und sie klug.
Doch wen finde ich an ihrer Stelle? Diese alte Hexe. Sie gleicht meiner Mama, aber es ist nicht sie, weil sie, anstatt von mir zu sprechen, der ihr Sohn ist, anfängt, über Emmas Kind zu reden.
Was ihr nicht mit mir gelungen ist, meint sie, wird das Kind haben können, nämlich reich sein und einen vornehmen Namen tragen. Da frage ich Mama, das heißt die Hexe: Und wieso kann ich keinen vornehmen Namen tragen? Wieso kann nicht ich reich und berühmt werden? Sie sagt, das geht nicht, denn früher oder später wird das Schicksal sich rächen. Wer Böses tut, dem wird Gott es irgendwann vergelten.
Und dann sagt sie mir, ausgerechnet mir, dass das Kind jetzt wichtiger ist, dass mein Vater es ihr im Traum gesagt hat. Verstehen Sie? Mein Vater! Im Traum! Und das soll meine Mutter sein? Die Frau, die mir einen anderen Nachnamen gegeben hat, damit ich berühmt werde? Niemals! Das ist nicht meine Mutter!
Ich frage sie also, was ICH dann bekomme. Diesmal nichts, sagt sie. Dabei weint sie. Vielleicht ein andermal. Wir würden schon eine andere wie Emma finden, Neapel sei voll von reichen, gelangweilten Frauen, die zu gerne einen Liebhaber aushalten würden. Der Herrgott, sagt sie, ist kein Händler, der seine Schulden samstags zahlt.
Da hab’ ich sie ihr ausgetrieben, die Hexe, die sich in meiner Mutter eingenistet hatte. Ich hab’ ihr den Kopfaufgemacht, um das Böse rauszuholen. Dann hab’ ich sie durchs ganze Zimmer getreten. Die verfluchte Hexe. Das Blut, das ganze Blut war nicht dasselbe, das in mir fließt. Meine Mutter hat immer bloß an mich gedacht: Das konnte sie nicht sein, wenn sie mir jetzt einen Bastard vorzog, der noch gar nicht geboren war. Jetzt warte ich: Ihr werdet schon sehen, irgendwann kommt meine Mama wieder und bringt alles in Ordnung. Sie wird mir helfen, weil in uns dasselbe Blut fließt.
LXIII
Es brauchte seine Zeit, Garzo klarzumachen, was geschehen war. Sie fanden ihn atemlos im Innenhof des Präsidiums vor, gemeinsam mit Ponte, der noch verschreckter dreinblickte als sonst. Die Nachricht von Romors Verhaftung hatte sich schnell verbreitet. Doch Garzo war nicht der Einzige, der dadurch herbeigerufen worden war: Auf der Straße vor dem Eingangstor hatte sich bereits eine Gruppe von Schaulustigen versammelt; alle wollten den Mörder aus dem Theater aus nächster Nähe sehen.
Der Vizepräsident führte ein ungemein differenziertes Mienenspiel vor, das selbst Ricciardi verblüffte: In nur wenigen Sekunden ging sein Ausdruck von besorgt zu erleichtert über, zeigte er sich bestürzt beim Anblick der Serra di Arpaja, die der Polizeistreife in ihrem Wagen gefolgt waren, und blickte den Kommissar schließlich zornig an.
Doch Maione,
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