Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
Vom Netzwerk:
nicht am Mittelmeer, aber es ist trotzdem schön.« Sie gab dem Gespräch eine Wendung: »Da war das Fräulein Doktor wohl sehr traurig?«
    »Schade, daß sie schon fort ist, sonst hätten wir sie fragen können.«
    »Ein bezauberndes Mädchen, und so vornehm, ich finde, sie ähnelt der Königin von Rumänien, als sie noch jung war.«
    »Erraten.« Fabian erhob sich und brachte die Wirtin zur Tür. »Es soll eine Tochter der Königin sein. Aber, bitte, nicht weitersagen.«
     
    Nachmittags saß er in einem großen Zeitungsverlag und wartete, daß Herr Zacharias Zeit fände. Herr Zacharias war ein Bekannter, der, nach einer Debatte über den Sinn der Reklame, zu ihm gesagt hatte: »Wenn Sie mich mal brauchen, melden Sie sich.« Fabian blätterte gedankenlos in einer der Zeitschriften, die den Tisch des Warteraums zierten, und entsann sich des Gesprächs. Zacharias hatte damals der Behauptung von H. G. Wells, daß das Wachstum der christlichen Kirche nicht zuletzt auf geschickte Propaganda zurückzuführen sei, begeistert zugestimmt; er hatte auch Wells’ Forderung verfochten, daß es an der Zeit sei, die Reklame nicht länger auf die Steigerung des Konsums von Seife und Kaugummi zu beschränken, sondern sie endlich ausreichend in den Dienst von Idealen zu stellen. Fabian hatte geäußert, die Erziehbarkeit des Menschengeschlechts sei eine fragwürdige These; die Eignung des Propagandisten zum Volkserzieher und das Talent des Erziehers zum Propagandisten stünden außerdem in Frage; Vernunft könne man nur einer beschränkten Zahl von Menschen beibringen, und die sei schon vernünftig. Zacharias und er hatten sich förmlich gestritten, bis sie fanden, der Meinungsstreit trage allzu akademischen Charakter, denn beide möglichen Resultate – der Sieg oder die Niederlage jener idealistischen Aufklärung – setzten sehr viel Geld voraus, und für Ideale gebe Keiner Geld.
    Boten liefen geschäftig durch das Labyrinth der Gänge. Papphülsen fielen klappernd aus Metallröhren. Das Telefon des Aufsichtsbeamten klingelte fortwährend. Besucher kamen und gingen. Angestellte rannten aus einem Zimmer ins andere. Ein Direktor des Betriebes eilte, mit einem Stab untertäniger Mitarbeiter, die Treppe hinunter.
    »Herr Zacharias läßt bitten.«
    Ein Bote brachte ihn bis zur Tür. Zacharias gab Fabian temperamentvoll die Hand. Es war die hervorstechendste Eigenschaft dieses jungen Mannes, Alles, was er tat, außerordentlich lebhaft zu besorgen. Er kam aus der Begeisterung nicht heraus. Ob er sich nun die Zähne putzte oder ob er debattierte, ob er Geld ausgab oder ob er seinen Vorgesetzten Vorschläge machte, stets riß er sich ein Bein aus. Wer in seine Nähe kam, wurde von dieser Humorlosigkeit infiziert. Plötzlich wurde ein Gespräch über das Binden von Krawatten zum aufregendsten Thema der Gegenwart. Und die Vorgesetzten merkten, wenn sie mit Zacharias Geschäftliches erörterten, wie ungeheuer wichtig ihr Beruf, ihr Verlag und ihr Posten eigentlich waren. Die Karriere des Mannes war nicht aufzuhalten. Daß er selbst Wesentliches leistete, war unwahrscheinlich. Er diente dem Betrieb als Katalysator, den Menschen seiner Umgebung als Stimulans. Er wurde unentbehrlich und hatte jetzt schon, mit achtundzwanzig Jahren, ein Monatsgehalt von zweitausendfünfhundert Mark. Fabian erzählte, was es zu erzählen gab.
    »Frei ist nichts«, sagte Zacharias, »und ich wäre Ihnen so gern gefällig. Außerdem bin ich überzeugt, daß wir beide glänzend miteinander auskämen. Was machen wir bloß?« Er preßte die Hände an die Schläfen, wie ein Wahrsager dicht vor der Erleuchtung. »Was halten Sie von Folgendem: wenn ich Sie bei mir anstelle, als privaten Mitarbeiter, den ich aus eigener Tasche bezahle? Ich könnte eine Kraft wie Sie gut gebrauchen. Man erwartet hier im Hause pro Tag ein Dutzend Anregungen von mir. Bin ich ein Automat? Was kann ich dafür, daß den Anderen noch weniger einfällt? Wenn das so weitergeht, läuft sich mein Gehirn einen Wolf. Ich habe seit kurzem ein kleines nettes Auto –, Steyr, Sechszylinder, Spezialkarosserie. Wir könnten jeden Tag ein paar Stunden ins Grüne fahren und Eier legen. Ich schoffiere gern, es beruhigt die Nerven. Dreihundert Mark würde ich für Sie lockermachen. Und sobald hier ein Posten frei wird, hätten Sie ihn. Na?«
    Ehe Fabian antworten konnte, fuhr der Andere fort: »Nein, es geht nicht. Man würde sagen, Zacharias hält sich einen weißen Neger. Ich bin vor keinem dieser

Weitere Kostenlose Bücher