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Der Gebirgspass

Der Gebirgspass

Titel: Der Gebirgspass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirill Bulytschow
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dagegen, so sehr er sich auch bemühte, konnte sich kein bißchen mehr an den Vater erinnern.
Er stand auf und ging in die Küche. Dort traf er den Alten, der gerade Feuer im Herd machte.
„Ich helfe dir“, sagte Oleg, „soll ich Wasser kochen?“
„Ja“, erwiderte der Alte, „danke. Ich hab doch jetzt Unterricht. Komm nachher zu mir.“
    Marjana war erfolgreich gewesen — sie hatte einen ganzen Sack mit Pilzen gefüllt. Allerdings mußten sie auch weit gehen, bis zur Schlucht. Mit Oleg hätte sie es nie gewagt, eine solche Strecke zurückzulegen, doch mit Dick fühlte sie sich ruhig, ganz einfach weil er selbst sicher war. Er war es überall, sogar im Wald. Obwohl ihm die Steppe mehr behagte. Er war Jäger, schien als Jäger auf die Welt gekommen zu sein. Dabei war er vor der Gründung der
    Siedlung geboren worden.
„Du fühlst dich im Wald ja wie zu Hause“, sagte Dick
laut.
Er ging leicht seitlich vor ihr, die Jacke mit dem Fell
nach außen saß an ihm wie die eigene Haut. Er hatte sich
diese Jacke selbst genäht. Kaum jemand von den Frauen
im Dorf hätte das so gekonnt. Marjana jedenfalls hätte es
nie zuwege gebracht.
Der Wald hier war licht und knorrig, die Bäume
erreichten wenig mehr als Menschengröße und neigten ihre
Wipfel zur Seite, als fürchteten sie, sich zwischen ihren
Nachbarn hervorzurecken. Und sie hatten allen Grund —
die Winterwinde brachen schnell die Baumspitzen weg.
Von den Nadeln tropfte es. Es war ein kalter Regen, und
Marjanas Hand, die den Sack mit den Pilzen trug, wurde
steif davon. Sie nahm den Sack in die andere Hand. Die
Pilze begannen sich knirschend zu bewegen. Die Hand tat
weh, Marjana hatte sich einen Splitter eingezogen, als sie
an der Schlucht die Pilze ausgrub. Dick hatte ihn wegen
der Infektionsgefahr sofort herausgezogen — man wußte ja
nie, was für eine Nadel das war. Dann hatte Marjana noch
einen Schluck von dem Gegengift genommen, das sie in
einem Fläschchen stets um den Hals trug.
An den dicken, weißen, glitschigen Wurzeln einer
Kiefer entdeckte Marjana einen kleinen violetten Tupfen.
„Warte, Dick“, sagte sie, „dort ist eine Blume, die ich noch
nie gesehen habe.“
„Geht’s nicht ohne Blumen?“ fragte Dick. „Wir müssen
nach Hause. Irgendwas hier gefällt mir nicht.“
Dick besaß ein besonderes Gespür für
Unannehmlichkeiten, Marjana hätte auf ihn hören sollen. „Eine Sekunde“, sagte sie statt dessen und rannte zu
dem Baum. Die weiche, poröse, bläulich schimmernde
Rinde der Kiefer, die das Regenwasser hochpumpte,
vibrierte sacht, und die Wurzeln zuckten, veränderten ihre
Lage, streckten ihre Verästelungen aus, um sich keinen
einzigen Tropfen entgehen zu lassen. Der Tupfen war in
der Tat eine Blume. Ein gewöhnliches Veilchen. Nur um
vieles kräftiger in der Farbe und größer als die normalen
Veilchen, die in der Siedlung wuchsen. Auch die Stachel
waren länger. Marjana riß die Blume mit einem Ruck aus
dem Boden, damit sie sich nicht erst mit der Wurzel am
Stamm festkrallen konnte, und eine Sekunde später lag das
Veilchen in dem Sack mit den Pilzen, die so zu rascheln
und knirschen begannen, daß Marjana direkt lachen mußte. Deshalb hörte sie nicht gleich, wie Dick rief: „Leg dich
hin!“
Sie reagierte schnell, machte einen Satz nach vorn, ließ
sich fallen und preßte sich in die pulsierenden Wurzeln der
Kiefer. Doch um Sekunden zu spät. Ihr Gesicht brannte, als
hätte man es mit kochendem Wasser bespritzt.
„Die Augen“, rief Dick, „sind die Augen heil?!“ Er
packte Marjana bei den Schultern, setzte sie auf, löste ihre
schmerzverkrampften Finger von den Wurzeln.
„Laß die Augen zu“, sagte er und machte sich hastig
daran, die kleinen dünnen Nadeln aus ihrem Gesicht zu
ziehn. Dabei sprach er wütend vor sich hin: „Du dumme
Trine, dich darf man wahrhaftig nicht in den Wald lassen.
Man muß doch aufpassen. Tut’s weh?“
„Ja.“
Dick ließ sich unvermittelt auf Marjana fallen und
drückte sie auf die Wurzeln.
„Au, das schmerzt doch!“
„Da kam noch eine geflogen“, sagte er und stand auf.
„Du wirst es nachher sehen, sie ist gegen meinen Rücken
geprallt.“
Zwei weitere Kollerdisteln trudelten etwa drei Meter
von ihnen entfernt vorüber. Prall, aus einem Geflecht von
nadelförmigen Samen, aber leicht wie Luft. Da sie innen
hohl waren, flogen sie so lange, bis sie gegen einen Baum
prallten oder von einem Windstoß gegen einen Felsen
getrieben wurden. Millionen dieser kleinen Kugeln gingen
zugrunde; eine

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