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Der gefährliche Drache

Titel: Der gefährliche Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Sie gingen hinterher nach Hause, wie es sich für vernünftige Jungs und Mädels gehört, aber ich blieb … und blieb … und blieb …« Er legte den Kopf in den Nacken und lachte.
    Ich starrte ihn unsicher an. »Sie haben Ihr Studium hingeschmissen und sind ein … Hofnarr geworden?«
    »Ich bin mit den Schaustellern weggelaufen«, räumte er belustigt ein. »Und habe es nie bereut. Die Fantasie ist Nahrung für meine Seele. Ein weiterer Universitätsabschluss wäre pure Vergeudung für mich gewesen.«
    »Sagen Sie so etwas bloß nicht vor meinen Söhnen«, sagte ich beschwörend. »Ich will, dass sie weiter zur Schule gehen.«
    »Meine Lippen sind versiegelt«, sagte Jinks und legte den Zeigefinger an die Lippen. »Wie, wenn ich fragen darf, verschlägt es ein Mädchen aus Chicago nach England?«
    Da ich keine Lust hatte, weder mit ihm noch sonst einem Fremden über Tante Dimity zu reden, sagte ich einfach nur: »Eine verstorbene Freundin hat mir das Cottage vermacht, und mein Mann und ich dachten, es sei ein guter Ort, um unsere Kinder aufzuziehen.«
    »Wie viele Kinder haben Sie?«, erkundigte er sich höflich.
    »Ich habe zwei sechsjährige Buben«, antwortete ich. »Zwillinge.«
    Jinks stützte die verschränkten Arme auf den Tisch und sagte feierlich: »Wenn ich verspreche, ihre akademische Laufbahn nicht zu ruinieren, versprechen Sie dann, mit ihnen zur Kirmes zu kommen?«
    »Selbst wenn ich wollte, würde es mir nicht gelingen, sie davon fernzuhalten.« Als ich seinen betrübten Ausdruck sah, musste ich lachen. »Den vergangenen Monat haben sie sozusagen im Sattel verbracht und geübt, von dort aus kleine Plastikringe mit Holzstäben zu durchstoßen. Am liebsten hätten sie andere Reiter aufgespießt – natürlich rein zu Forscherzwecken –, aber ihr Reitlehrer hat es nicht zugelassen.«
    »Spaßverderber«, sagte Jinks ironisch. »Jeder Junge sollte sich ab und zu wie ein Barbar aufführen dürfen.«
    »Und Ihre Narben zeugen davon«, bemerkte ich trocken.
    Keuchend ließ er sich mit dem Rücken gegen die Lehne sinken und fuhr sich mit den Händen an die Brust, als hätte ich ihn erdolcht.
    »Touché«, krächzte er.
    Ich kicherte und fragte: »Was hat Sie nach England zurückgeführt?«
    »Cal«, antwortete er und richtete sich wieder auf. »Als er seinen Plan verkündete, auf der anderen Seite des großen Teichs ein Mittelalterfest zu veranstalten, fragte ich, ob ich mitkommen könne. Nachdem ich zehn Jahre lang Amerikanern zugehört hatte, wie sie mit furchtbarem, nachgeahmtem englischem Akzent deklamierten, hatte ich das Bedürfnis, wieder einmal das Original zu hören. Nichts für ungut.«
    »Schon gut. Nachgemachter englischer Akzent tut auch meinen Ohren weh. Sind alle Darsteller Amerikaner?«
    »Nein, keineswegs. Unsere Besetzung besteht ausschließlich aus Briten. Cal war die letzten sechs Monate in England, Schottland und Wales unterwegs, um Straßenkünstler, Reenactors, Kunsthandwerker, Künstler und Caterer zu rekrutieren. Er ist ein guter Marktschreier, müssen Sie wissen.«
    »Das weiß ich.« Ich nickte. »Meine Nachbarn sind kein leichtes Publikum, aber er hat sie auf seine Seite gezogen, ohne ins Schwitzen zu geraten.«
    »Könige schwitzen nicht, Lori«, deklamierte Jinks hochtrabend. »Könige transpirieren. Sie wohnen auch in ziemlich luxuriösen Wohnwagen, während der Rest von uns weniger königlich logiert. Es ist in der Tat nicht schlecht, König zu sein.«
    »Warum wohnt Calvin nicht im Haus seines Onkels?«
    »Er will mitten im Geschehen sein. Ein weiser König bleibt auf Tuchfühlung mit seinen Untertanen.« Er setzte sich eine unsichtbare Krone auf das Haupt, richtete sich kerzengerade auf und hob die rechte Hand zu einem steifen, förmlichen Gruß.
    Ich lächelte der Form halber, während ich mit den Gedanken woanders war. Calvins Übernachtungswahl verblüffte mich. Das Farmhaus seines Onkels war groß und komfortabel und nah genug am Campingplatz der Darsteller, um »in Tuchfühlung mit seinen Untertanen« zu sein. Warum hatte er sich dennoch bemüßigt gefühlt, sich ein offenbar luxuriöses Wohnmobil anzuschaffen? Es erschien mir wie eine unnötige Extravaganz, es sei denn, Calvins finanzielle Situation war sehr viel besser, als sein Onkel vermutete. Als Jinks die Hand wieder sinken ließ und sich zurücklehnte, fragte ich mich, ob er ein wenig Licht ins Dunkel von Calvins Finanzen bringen könnte.
    »Mir scheint es, als müsste man auch reich wie ein König sein, um

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