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Fiona

Fiona

Titel: Fiona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Kapitel 1
    DER SÜDEN VON ENGLAND
    August 1502
    Fiona Chatworth stand am Rand der steilen Klippe und sah hinunter auf das wogende Meer hoher Gerstengräser. In der Tiefe bewegten sich winzige Männer mit Sicheln auf der Schulter. Ein paar von ihnen ritten auf Pferden, und einer kutschierte ein Ochsengespann.
    Doch Fiona sah diese Männer nicht wirklich, weil sie ihr Kinn zu hoch hielt. Eine Bö heißen Sommerwindes versuchte sie vom Rand der Klippe wegzudrücken; doch sie stemmte sich mit den Beinen dagegen und weigerte sich, von der Stelle zu rücken. Wenn das, was ihr heute schon widerfahren war und was ihr nun bevorstand, sie nicht zu erschüttern vermochte, würde so ein Windstoß sie schon gar nicht aus der Fassung bringen.
    Ihre grünen Augen waren trocken, doch ihr Hals war wie zugedrückt. Ein Kloß aus Ärger und unvergossenen Tränen steckte darin. Ein Muskel zuckte in ihrer Wange, als sie tief Atem holte und ihr klopfendes Herz zu beruhigen versuchte.
    Wieder kam ein Windstoß und hob die strähnige Masse aus honigblonden Haaren von ihrem Rücken, und dabei löste sich, ohne daß sie es merkte, eine letzte Perle und rollte über die zerrissene, schmutzige rote Seide ihres Kleides. Die Kette, die sie zur Hochzeit ihrer Freundin getragen hatte, war zerrissen, ihr Haar zerzaust und aufgelöst, ihr Gesicht voll Schmutzflecken — und ihre Hände brutal auf ihrem Rücken zusammengebunden.
    Fiona hob die Augen zum Himmel, und sie blinzelte nicht, als das grelle Tageslicht vor ihren Augen flimmerte. Ihr Leben lang hatte man ihr engelgleiches Aussehen gerühmt. Und doch hatte sie noch nie so zart, so heiter, so ätherisch ausgesehen wie jetzt, als ihr schweres, schimmerndes Haar um ihre Schultern spielte wie ein seidener Umhang und ihr das zerrissene Gewand das Aussehen einer Märtyrerin gab.
    Doch in Gedanken war Fiona weit entfernt von engelhaften Vorstellungen — oder von Vergebung.
    »Ich werde bis zum Tode kämpfen«, murmelte sie himmelwärts, während ihre Augen sich verdunkelten und die Farbe eines Smaragds im Mondlicht annahmen. »Kein Mann wird mich unterkriegen. Kein Mann wird mich seinem Willen unterwerfen. «
    »Bittest du Gott um Hilfe? « kam die Stimme des Mannes zu ihr, der sie gefesselt hatte.
    Langsam, als stünde ihr die Ewigkeit zur Verfügung, drehte sich Fiona zu dem Mann um, und die Kälte in ihren Augen ließ ihn einen Schritt zurückweichen. Er war ein Prahlhans wie der scheußliche Mann, dem er diente — Pagnell von Waldenham —; doch dieser Lakai wurde zum Feigling, wenn ihm sein Meister nicht den Rücken stärkte.
    John hustete nervös, kam dann wieder kühn näher und packte Fiona am Oberarm. »Vielleicht hältst du dich für eine große Lady; doch im Augenblick bin ich dein Meister. «
    Sie sah ihm fest in die Augen, verriet nichts von dem Schmerz, den er ihr zufügte; schließlich hatte sie in ihrem Leben mehr als genug physische und seelische Qualen ausstehen müssen. »Du wirst nie ein Meister sein«, sagte sie gelassen.
    Einen Moment lockerte John seinen Griff, doch im nächsten Augenblick zog er sie heftig nach vom und gab ihr einen Stoß.
    Fiona hätte fast das Gleichgewicht verloren, doch es gelang ihr mit fast übermenschlicher Konzentration, sich aufrechtzuhalten und geradeaus zu gehen.
    »Jeder Mann ist der Meister einer Frau«, sagte John hinter ihr. »Frauen wie du wollen das nur nicht begreifen. Es braucht nur einen tüchtigen Mann, der dich besteigt und zu reiten versteht, und du wirst deinen Meister kennenlernen. Nach allem, was ich über diesen Miles Montgomery gehört habe, ist er der Mann, der dir gibt, was du brauchst. «
    Als Fiona den Namen Montgomery hörte, stolperte sie und fiel auf die Knie.
    Johns Lachen war unverhältnismäßig laut, als hätte er soeben eine großartige Tat vollbracht. Er blieb stehen und sah unverschämt zu, wie Fiona sich ungeschickt wieder aufrappelte, da ihr die Hände gefesselt waren und sich ihre Füße im Rocksaum verfangen hatten.
    »Der Name Montgomery bringt dein Blut in Wallung, nicht wahr? « höhnte er, als er sie auf die Beine riß. Einen Moment berührte er mit der Hand ihre Wange, strich mit schmutzigen Fingerkuppen über die weiche elfenbeinfarbene Haut, über ihre samtenen Lippen. »Wie kann eine so herrliche Frau wie du so widerborstig sein? Wir beide könnten uns herrlich die Zeit vertreiben, und Lord Pagnell würde nie etwas davon erfahren. Was bedeutet es schon, wer der erste ist? Der junge Montgomery wird dir

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