Der gefährliche Drache
Bill dem Lüsternen Jack einen Kinnhaken verpasst, will ich auch dabei sein, um ihn anzufeuern«, sagte Emma energisch. »Jack hat mich ebenfalls angemacht. Besonders anziehend fand er meine Reitgerte, bis ich ihm damit übers Gesicht gefahren bin.«
»Du liebe Güte. Ist irgendeine Frau vor ihm sicher?«
»Wenn ich Horace Malvern wäre, würde ich meine Kühe vor ihm verstecken.«
Wir lachten herzlich. Als wir am Haus der Pym-Schwestern vorbeifuhren, fragte ich Emma, ob sie wisse, wann die beiden aus dem Urlaub zurückkämen.
»Nächste Woche. Ich glaube, Ruth und Louise werden die König-Wilfred-Kirmes mögen.«
»Sie werden entzückt sein«, stimmte ich ihr zu. »Ich sehe sie schon vor mir, ganz in Samt und Gold gewandet.«
Schweigend riefen wir uns das Bild der liebenswürdigen und absolut identischen Zwillingsschwestern vor unser geistiges Auge, gehüllt in die prächtigsten mittelalterlichen Gewänder, die Sally Pyne zu nähen imstande war.
»Calvin wird nicht umhinkommen, sie zu fragen, ob sie zu seinem Hofstaat gehören wollen«, sagte ich. »Ruth und Louise sind die geborenen Aristokratinnen.«
»Königinnen durch und durch«, sagte Emma.
Wir fuhren über die Buckelbrücke, und ich empfand ein Gefühl der Erleichterung, als ich sah, dass das Kaufhausfenster erneuert worden war und das Dorf wieder so adrett wie immer wirkte. Meine zweite Reaktion war etwas vielschichtiger.
»Was um Himmels willen …«, murmelte ich.
Eine groß gewachsene Gestalt stand in der Mitte des Dorfangers. Der Mann war so dürr, dass sich jeder Muskel und jede Sehne unter seiner Haut abzuzeichnen schien, als wäre er eine wandelnde Anatomiepuppe. Sein graues Haar fiel ihm über die Schultern, und sein grauer Bart reichte ihm bis zu den Schlüsselbeinen. Er trug eine Silberkette mit einem Halbmondanhänger um den Hals.
»Ich … glaube«, sagte Emma langsam, »das ist ein Zauberer, der … Tai-Chi macht.«
»Ich glaube, du hast recht.« Ich nickte bedächtig. »Der violette Spitzhut verrät ihn.«
»Vermutlich fühlt er sich in Kleidern zu sehr eingeengt«, bemerkte Emma. »Oder aber ein anderer, böser Zauberer hat sie verschwinden lassen.«
»Das würde erklären, warum er nur eine Unterhose trägt«, sagte ich gleichmütig.
»Und einen Hut«, sagte Emma. »Vergiss den Hut nicht.«
»Er wohnt in Sally Pynes Gästezimmer«, ließ ich Emma wissen.
»Wie aufregend für Sally.«
Als wir an ihm vorbeifuhren, machten wir uns nicht die Mühe, unser Kichern zu unterdrücken. Jeder, der in Unterhose Tai-Chi auf einem Dorfanger praktizierte, musste Kichern in Kauf nehmen. Etwas weiter hinten, in der Nähe des Kriegsdenkmals, waren zwei Jongleure dabei, einen Apfel, zwei Bananen und drei Honigmelonen zwischen sich hin und her zu wirbeln. Und noch etwas weiter weg verhielt sich eine weitere einsame Gestalt ziemlich merkwürdig.
»Ob er einen Anfall hat?«, fragte ich.
»Nein«, sagte Emma. »Das ist der Pantomime.«
»Ach ja. Er wohnt bei Grant und Charles. Was mimt er denn im Moment?«
»Er führt einen imaginären Hund spazieren«, sagte Emma.
»Es muss ein großer Hund sein. Er hat eben so fest gezogen, dass sein Herrchen fast umgefallen wäre.«
Grog, der Basset der Peacocks, beobachtete das Ganze von seinem gewohnten Platz an der Eingangstür des Pubs aus. Die ruckartigen und abgehackten Bewegungen des Pantomimen faszinierten ihn offensichtlich, wohingegen er sich von dem imaginären Hund nicht bedroht zu fühlen schien. Nach einigen Sekunden legte er den Kopf auf seine Pfoten und döste ein. Das Pubschild hing, wie ich mit Befriedigung bemerkte, wieder gerade an einer neuen Kette, und niemand schaukelte daran.
George Wetherhead und Mr Barlow saßen auf der Bank in der Nähe des Kriegsdenkmals und teilten sich eine Tüte Kartoffelchips, während sie den Jongleuren zusahen. Buster, Mr Barlows Cairn-Terrier, half den beiden Artisten, ihre Konzentration zu trainieren, indem er zwischen ihnen hin und her sprang und sie gelegentlich in die Zehen zwickte. Im Vorüberfahren winkten wir unseren Nachbarn zu, und sie winkten zurück.
»Ich bin froh, dass Mr Wetherhead wieder auf dem Damm ist«, sagte ich.
»Lilian Bunting hat gestern ungefähr eine Stunde gebraucht, um ihn zu überzeugen, dass es vollkommen ungefährlich ist, zur Abendandacht zu kommen«, sagte Emma. »Sie musste ihn von seinem Haus zur Kirche begleiten und nach der Andacht wieder zurück.«
»Eine Banktherapie scheint genau das Richtige für ihn zu sein.
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