Der gefangene Stern
niemanden überfahren, und Sie bleiben, wo Sie sind.“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu. „Falls Sie es nicht bemerkt haben sollten, der Typ mit dem Lieferwagen hat auf uns geschossen. Und sobald ich sicher bin, dass wir ihn abgehängt haben, werden Sie mir erzählen, was zum Teufel hier los ist.“
„Ich weiß nicht, was hier los ist.“
„So ein Blödsinn.“
Und weil er tatsächlich glaubte, dass sie Blödsinn erzählte, griff er unter seinen Sitz und förderte Handschellen zutage. Bevor sie auch nur mit der Wimper zucken konnte, hatte er sie bereits mit einem Handgelenk am Türgriff gefesselt. Wenigstens würde sie ihm nicht davonlaufen, bevor er nicht wusste, warum er gerade von einem Dreihundert-Pfund-Gorilla durch die Luft geschleudert worden war.
Um ihr Geschrei und ihre immer bildhafteren Beschimpfungen zu übertönen, drehte Jack die Stereoanlage voll auf.
2. KAPITEL
B ei der erstbesten Gelegenheit würde sie ihn umbringen. Und zwar grausam, beschloss M.J. Ohne Gnade. Noch vor zwei Stunden war sie eine glückliche und freie Frau gewesen. Okay, sie war fast umgekommen vor Neugier wegen des Klunkers, den sie in ihrer Tasche mit sich herumtrug. Aber sicher hatte Bailey einen guten Grund und eine logische Erklärung, warum sie ihr den Diamanten geschickt hatte.
Bailey James hatte für alles eine logische Erklärung. Nicht zuletzt deshalb mochte M.J. sie so sehr.
Aber jetzt machte sie sich Sorgen – Sorgen darüber, dass das Päckchen, das ihr gestern per Kurier geliefert worden war, der Grund für diesen ganzen Schlamassel war.
Vorerst zog sie es allerdings vor, Jack Dakota die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Er hatte sich Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft und sie angegriffen. Gut, womöglich hatte sie ihn zuerst angegriffen, aber das war schließlich eine vollkommen verständliche Reaktion. Sie glaubte fest an die Methode: Erst zuschlagen, dann Fragen stellen.
Es war beschämend, dass er sie zu Boden geworfen hatte. Sie besaß den schwarzen Gürtel 5. Grades und ertrug es nur schwer, einen Kampf zu verlieren.
Bisher wusste sie nur, dass Jack Dakota schuld war an ihrer zertrümmerten Wohnung und daran, dass sie einfach davongerannt waren, ohne die Wohnungstür zu schließen. Zwar hing sie nicht sonderlich an materiellen Dingen, aber darum ging es nicht. Es waren ihre Dinge, und nun musste sie ihre kostbare Zeit damit verschwenden, sie zu ersetzen.
Was sie mindestens genauso nervte war die Tatsache, dass ein bewaffneter Schwachkopf einfach so ihre Tür eingetreten hatte. Und am allerschlimmsten fand sie es, dass sie mit Handschellen an den Türgriff eines Oldsmobile gefesselt war.
Dafür würde Jack Dakota bezahlen.
Wer zum Henker war er überhaupt? Kopfgeldjäger, exzellenter Kampfsportler und Vollidiot, wie sie im Geiste aufzählte, während sie den Plastikmüll von aufgerissenen Schokoriegeln und leeren Pappbechern mit den Füßen hin und her schob. Außerdem fuhr er Auto wie ein Verrückter. Unter anderen Umständen hätte es sie beeindruckt, wie er mit dem Wagen umging, in Kurven preschte, um Ecken jagte und auf die Washington Beltway schoss wie ein Formel-1-Fahrer.
Wenn er in ihren Pub gekommen wäre, hätte sie durchaus zweimal hingeschaut, das musste sie mürrisch zugeben. In einer Großstadt einen Pub zu führen, bedeutete mehr, als einfach nur Drinks zu servieren. Es bedeutete vor allem, in der Lage zu sein, Menschen schnell einzuschätzen, Unruhestifter von einsamen Herzen zu unterscheiden. Und zu wissen, wie man mit beiden Typen umging.
Sie hätte ihn als eher schwierigen Gast eingeschätzt. Das verriet schon der Ausdruck auf seinem Gesicht. Insgesamt ein verdammt attraktives Gesicht, hart und anziehend. Mist, jetzt hatte sie tatsächlich zweimal hingeschaut. M.J. biss die Zähne zusammen und starrte aus dem Fenster. Hübsche Jungs interessierten sie nicht besonders. Sie zog Männer vor, die aussahen, als hätten sie bereits ein Leben hinter sich. Als hätten sie die eine oder andere Grenze überschritten und würden dies auch künftig tun.
Jack Dakota passte genau in dieses Schema. Sie hatte einen gründlichen Blick in seine Augen riskiert – granitgrau – und wusste, dass er sich nicht von irgendwelchen Regeln aufhalten lassen würde.
Was würde ein Mann wie er tun, wenn er erfuhr, dass sie ein Vermögen in ihrer ramponierten Ledertasche mit sich herumschleppte?
Verdammt, Bailey, dachte sie. Verdammt. Sie ballte ihre freie Hand zur Faust. Warum hast du mir
Weitere Kostenlose Bücher