0938 - Rabenherz
Vor zwei Monaten
Niemand konnte ihm den Triumph mehr nehmen. Er besaß alles, was er brauchte, um zur Quelle des Lebens zu gelangen: Dylan McMour und die vom Erbfolger gestohlene Llewellyn-Magie. Ersterer würde als Auserwählter das Schloss öffnen, Letztere das Tor aufstoßen.
Was sollte jetzt noch geschehen, was ihn an der Ausführung seines Auftrags hinderte?
Matlock McCain, der Druidenvampir, kicherte, als der Blick zu seinem ohnmächtigen Gefangenen hinüberglitt. Seinem Schlüssel zur Quelle.
Er hob den Burschen auf, und ein leises Stöhnen quoll über dessen Lippen. Einst hatte der Auserwählte den Vampirkeim in sich getragen, den McCain ihm eingepflanzt hatte! Doch dank der Magie dieses Mädchens Anka Crentz hatte er die schwarzmagische Infektion abschütteln und sich aus den Fängen des Druidenvampirs befreien können. Wie hatte der Blutsauger ihn dafür gehasst.
Und nun hielt er ihn doch wieder in den kalten Armen! Ausgleichende Gerechtigkeit. Manchmal schien das Schicksal einen boshaften Sinn für Humor zu besitzen.
Für einen Augenblick fand McCain es schade, dass sein Schlüssel zur Quelle nichts von seiner neuen Bestimmung mitbekam. Dann lachte er, und die weißen Fangzähne im bleichen Gesicht blitzten im Licht der Sterne, die den finsteren Himmel bedeckten.
Er schloss die Augen, konzentrierte sich auf den Friedhof der Llewellyns - und stand dank seiner magischen Fähigkeiten nur einen Augenblick später inmitten der Grabsteine. An dem Monolithen hatte er seinen ersten Versuch unternommen, zur Quelle zu gelangen. Damals, vor fast einem Jahr. Hier hatte alles begonnen, hier würde es enden.
Sein Blick fing sich an dem Liebespaar vor dem großen Stein, das eng umschlungen auf dem Boden saß, die Lippen aufeinandergepresst. Die Szenerie hatte beinahe etwas Vampirisches an sich!
Beiß zu , rief McCain dem Jungen geistig zu.
Jetzt erst erkannte der Fahle das Pärchen. Der Erbfolger und dieses Crentz-Mädchen! Offenbar warteten sie auf ihn. Doch abgelenkt von ihrer körperlichen Gier nahmen sie ihn gar nicht wahr.
Er stürzte auf die beiden zu. Auch sie würden ihn nicht stoppen können!
Ein Schrei gellte über den Friedhof.
»Rhett, pass auf!« Zamorra, der Magier im weißen Anzug! Wo war der so plötzlich hergekommen? Neben ihm stand ein junger Kerl in ausgeblichener Jeansjacke mit strubbeligen blonden Haaren.
Gryf irgendwas , erinnerte sich McCain.
Der Erbfolger und das Mädchen sprangen auf, stellten sich ihm in den Weg.
Doch es war zu spät! McCain spürte bereits, wie sich das Tor zu Quelle öffnete. Der Auserwählte in seinen Armen gab ein neuerliches Stöhnen von sich. Er war wach, doch er wirkte benommen und schläfrig. Sein Blick irrte ziellos durch die Nacht.
»Zu spät, Jäger!«, rief McCain Zamorra zu. »Dies ist das Ende meiner Reise!«
»Gryf, Rhett, Kathryne - jetzt!«, brüllte der Dämonenjäger.
Der Erbfolger stürzte sich mit offenen Armen auf ihn, doch seine Kraft reichte nicht aus. Der Druidenvampir bediente sich der Macht der Llewellyns und verdichtete die Luft zu einem Hochdruckwall. Ihn schleuderte er den beiden Liebenden entgegen. Sie taumelten zu Boden und gaben den Weg zum Tor frei.
Er hatte es geschafft! Der Triumph war sein!
Zwar spürte er, wie Zamorras und Gryfs geistige Finger nach ihm griffen und ihn zu packen versuchten, aber sie rutschten immer wieder ab. Er war zu stark für sie.
Ein Schritt noch. Ein allerletzter Schritt!
Der mentale Schlag traf ihn wie eine Keule. Wie ein Holzpflock bohrte er sich in sein Herz, wenn auch nicht mit so verheerenden Folgen.
Eine dritte Kraft hatte eingegriffen. Ungleich gewaltiger als die von Zamorra und Gryf.
Er ächzte. Eine Schwächewelle durchspülte ihn. Er fühlte, wie Dylan seinen Armen entglitt. Entsetzt versuchte er, fester zuzupacken. Doch stattdessen verlor er immer mehr an Stärke. Was geschah hier?
Der Druidenvampir strauchelte. So kurz vor dem Ziel! Das durfte nicht geschehen!
Aber er konnte nichts dagegen unternehmen. Nicht nur die körperliche Kraft floss aus ihm wie aus einem lecken Eimer, auch die Llewellyn-Magie flüchtete aus seinen Fasern. Hin zu ihrem rechtmäßigen Eigentümer. Zum Erbfolger.
Nein! Nein! NEIN!
Das Tor zur Quelle schloss sich.
McCain wollte sich losreißen, doch jede Anstrengung führte nur dazu, dass er die Erbfolgermagie noch druckvoller aus sich herauspresste. Wie das Blut aus der Wunde eines Vampirbisses sprudelte sie hervor.
Die Schwäche kroch in ihn, füllte ihn
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