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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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ließ sie sich von so etwas niemals daran hindern, etwas Nützliches zu versuchen. Sie musste Mails beantworten und Rechnungen schreiben. Und doch kam ihr die Vorstellung, allein in ihrem Arbeitszimmer zu sein, unerträglich vor.
    Sie wanderte ein wenig unschlüssig die Straße entlang. Was Izabella über ihre Fotos gesagt hatte, fraß sich in ihr fest, auch wenn sie wusste, dass Izabella sie nicht hatte verletzen wollen. Das Beste braucht kleine Mängel, um geschätzt zu werden, war es nicht so? Mach eine kreative Pause von einigen Monaten. Aber Pausen lagen ihr nicht, wenn Mårten nicht mitmachte. Und hatte sie das nicht dahin gebracht, wo sie sich heute befand? Sie hatte trotz allem als freischaffende Fotografin auf einem unbeständigen Markt Erfolg gehabt.
    Gleichgültig schaute sie in Schaufenster. Nichts konnte ihr Interesse erwecken, außer einem Paar Schuhe, und das eher wegen der Farbe als wegen der Form. Aber die Vorstellung, in den Laden zu gehen und die Verkäuferin zu bitten, die Schuhe anprobieren zu dürfen, verlockte sie nicht. Sie ging zum Auto, warf die Kameratasche auf den Rücksitz und fuhr nach Hause.
    Dort stellte sie die Tasche auf den Dielenboden, hängte ihren Mantel auf und ließ den vertrauen Geruch in sich einsinken. In der Küche stellte sie Teewasser auf, nahm eine Apfelsine und entfernte die Schale, obwohl sie eigentlich nicht gern Apfelsinen schälte. Der Saft sickerte durch ihre Finger und sie leckte ihn ab, schmeckte die Mischung aus Süße und Sprühmittel, als die Türklingel ertönte.
    Sie schaute auf die Uhr. Es konnte nicht Mårten sein, falls er sie nicht überraschen wollte. Vielleicht ein Paket. Irgendeine Sendung, die mit ihrer Arbeit zu tun hatte. Sie warf einen Blick in den Spiegel in der Diele. Blonde Haare, schulterlang. Braune
Augen, dunkle Wimpern und Brauen. Eine Oberlippe, die wie ein Entenschnabel vorwärts und aufwärts strebte. Ihrer Meinung nach. Andere sprachen von einem Kussmund.
    Der Mann, der vor der Tür stand, trug einen so weit offenstehenden Mantel, dass sie den Halskragen sehen konnte. Sein Blick war mitfühlend, als er die Hand ausstreckte und sich mit seinem Namen vorstellte, an den sie sich erst viel später würde erinnern können. Freundlich teilte er mit, er sei Pastor der lokalen Gemeinde, und bat, ins Haus kommen zu dürfen. In der Diele hängte er seinen Mantel neben ihren und folgte ihr ins Wohnzimmer. Sie dachte nur, dass der Apfelsinensaft um ihre Handgelenke zu Eis gefroren sein musste. Die Frage, was geschehen sei, versiegte irgendwo auf dem Weg aus ihrem Mund.
    Später würde sie sich nur an Bruchstücke des Gesprächs erinnern können, daran, wie Wörter und Satzteile durch ihren Kopf gewirbelt waren. Spaziergang. Zusammengebrochen. Krankenwagen. Jemand hat angerufen.
    Der letzte Satz bohrte sich wie glühendes Eisen in ihre Haut.
    »Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Mann tot ist.«

Kapitel 2
2007
    Die Boote, die an ihren Vertäuungen rissen. Die Fähre, die sie auf die Insel brachte. Schnitzwerk, Regen und die Illusion eines verlassenen Märchenortes. Sie selbst, die versuchte, ihren schweren Koffer zu ziehen und mit der anderen Hand die Tüten zu tragen. Ein idiotisches Unterfangen mit hohen Absätzen auf dem Kopfsteinpflaster. Beim Grand Hotel blieben die Räder des Koffers im Kies stecken. Schweiß unter den Armen, peitschende Markisen, den Hang hoch, den Hang hinunter. Geschlossene Sommerläden, geschlossene Restaurants. Aber das Meer war unverändert.
    Unterwegs war eine Bäckerei geöffnet gewesen. Sie legte eine Pause ein, kaufte frisches Brot und Himbeerkrapfen. Ein wenig früher auf der Reise hatte sie Milch, Butter, Toilettenpapier und Spülmittel erstanden. Kaffee und Tee hatte sie von zu Hause mitgebracht. Aber weiter hatte sie nicht denken können. Sie konnte nicht weiter planen dahingehend, wie sie diesen Tag überstehen würde. Und den nächsten. Ganz zu schweigen von den Nächten.
    Das Haus war sicher nicht kleiner als vor einigen Jahren, aber es sah einsamer aus. Die Farbe war abgeblättert, der kleine Garten überwuchert, und zwischen den Steinplatten wuchs Gras. Wenn nur die Dohlen nicht im Schornstein ihr Nest gebaut hatten. Ein Feuer im Kamin wäre jetzt wunderbar.

    Sie ließ ihr Gepäck auf der Straße stehen und ging durch das Tor. Mit dem Nachbarhaus als stummem Zeugen wanderte sie durch den Garten und betrachtete das Haus von allen Seiten. Blinzelte und versuchte, die Erinnerungen in sich

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