Zurueck ins Glueck
1. Kapitel
E in solches Schauspiel hatte Fiddler’s Point noch nie erlebt. Hoch oben am Himmel kreischten die Möwen, während sie das farbenprächtige Spektakel unter sich neugierig beäugten. Fuchsiafarbene und scharlachrote Federboas bauschten sich träge im Wind, als Frauen in eleganten Kostümen und Stilettos in die malerische Dorfkirche strömten. Über dem Gebäude zogen Hubschrauber ihre Kreise und warteten ungeduldig darauf, sich ihrer aus Irlands Vertretern von Reichtum und Macht bestehenden Fracht entledigen zu können.
Die Bewohner von Fiddler’s Point verfolgten dies alles mit stiller Belustigung. Sie waren an die Eskapaden der Superreichen gewöhnt, die in ihrer Mitte lebten. Vor über hundert Jahren hatte sich die Familie Judge hier niedergelassen, und obgleich alle Judges ein wenig exzentrisch waren, musste man ihnen zugute halten, dass sie dem Dorf dringend benötigte Arbeitsplätze und regelmäßige Einkünfte verschafft hatten. Lange Zeit war der Fischfang die einzige Existenzgrundlage von Fiddler’s Point gewesen, doch dann hatte James Judge der Erste damit begonnen, schwarz gebrannten Whiskey zu vertreiben, und dem Dorf so eine zweite Einkommensquelle erschlossen. Schon bald erlangte es den Ruf eines Mekkas durchzechter Nächte.
Frank Delaney pflegte an sechs Tagen in der Woche
mit seinem Kutter zum Fischen hinauszufahren, und es passte ihm gar nicht, an einem Samstagnachmittag nicht draußen auf der Irischen See zu sein, aber seine Frau Tess hatte keine Ausflüchte gelten lassen. Nachdem ihre alte Arbeitgeberin Rose Judge ihr vorige Woche, als die beiden Frauen nach dem Gottesdienst gemeinsam die Kirche verließen, beiläufig mitgeteilt hatte, sie werde für sie einen Platz in einer der hinteren Bänke reservieren, hätten keine zehn Pferde Tess dazu bewegen können, der Zeremonie fernzubleiben. Höchstwahrscheinlich hatte Rose die Einladung lediglich aus einem Impuls heraus ausgesprochen, aber Tess hatte sie trotz der unüberhörbaren Kälte in Roses Stimme sofort angenommen. Die Zeit, in der sie gemeinsam mit Mrs. Bumble in Dunross, dem Familiensitz der Judges, Böden poliert und Wäsche gebügelt hatte, lag schon lange zurück. Mrs. B war immer noch dort, inzwischen als Haushälterin tätig, Tess hatte gekündigt, als sie schwanger geworden war. Sie und Mrs. B waren gute Freundinnen geblieben, wohingegen Rose Judge bis heute eine gewisse Distanz wahrte. Sie hatte von jeher deutlich durchblicken lassen, dass sie der Meinung war, ihr Personal sollte wissen, wo sein Platz war.
Frank, Tess’ Mann, verspürte nicht die geringste Lust, eine Kirche zu betreten – schon gar nicht, um mit anzusehen, wie der junge Judge getraut wurde, aber Tess hatte ihn unaufhörlich bestürmt, und da sie ihn ohnehin nur selten um etwas bat, hatte er schließlich nachgegeben. Immerhin hielt sie es nun schon seit fast vierzig Jahren mit ihm aus, da konnte er ihr ruhig diesen kleinen Gefallen tun. Außerdem kamen seine drei Söhne auf dem Fischkutter auch ohne ihn zurecht.
Frank und Tess zählten zu den ersten Gästen – die Aufregung hatte sie viel früher als nötig aus dem Haus getrieben -, und so konnten sie verfolgen, wie sich die Kirche füllte. Nach und nach trafen die Freundinnen der Braut ein, eine Schar fröhlicher junger Dinger, die miteinander um die Wette strahlten und so glücklich und unbeschwert wirkten, als scheine die Sonne nur für sie allein. Tess betrachtete sie nachsichtig und dachte unwillkürlich daran, dass an dem alten Sinnspruch, die Jugend meine, ihr gehöre die Welt, doch etwas Wahres dran war. Frank ließ den Blick über den Rest der Menge schweifen. Er erkannte mehrere Minister und natürlich die Taoiseach, die Ministerpräsidentin, die die ruhige Zufriedenheit eines Menschen ausstrahlte, der seine Ziele im Leben erreicht hatte. Tess’ Hauptinteresse galt den Frauen der Großkopferten, die ungefähr in ihrem Alter standen – Mitte bis Ende fünfzig – und zahlreich vertreten waren. Ihr kostbarer Schmuck entlockte ihr einen wehmütigen Seufzer, und erst die Kleider... Tess’ Augen weiteten sich vor Bewunderung. Aber sie empfand keine Spur von Neid oder Missgunst, denn sie war mit ihrem Leben zufrieden. Sie liebte Frank aufrichtig und dankte ihrem Schöpfer jeden Tag für ihre drei wohlgeratenen Söhne, doch sie nutzte gerne jede Gelegenheit, als Zuschauerin am Leben dieser Leute teilzuhaben. Sie sahen allesamt so aus, als seien sie einem Modejournal entsprungen. Tess
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