Der gelbe Handschuh
die Pressefotografen waren von ihrer akrobatischen Einlage noch viel zu sehr außer Atem. Sie sagten kein Wort, sondern knipsten und blitzten vorerst nur wie wild durch die Gegend.
„Mein Name ist Brown“, sagte währenddessen ein untersetzter Mann mit etwas abstehenden Ohren. Als er kurz zuvor über die Gangway gekommen war, hatte ihn die Affenherde mit ihren Blitzlichtern und Fotoapparaten überholt und beinahe zu Boden gerissen.
„Willkommen, Inspektor Brown“, erwiderte Mister Palmer. „Wieso kennen Sie mich?“
„Ich habe mir in London beim Yard Ihr Foto zeigen lassen.“
„Wir hätten uns eine Menge Ärger erspart, wenn ich umgekehrt dieselbe Möglichkeit gehabt hätte“, meinte Mister Palmer.
„Darf ich Ihnen den Direktor des Pariser Louvre vorstellen, und das ist Herr Latenser...“
Aber der Privatdetektiv war plötzlich wie weggeblasen. Blitzschnell hatte er sich hinter den beiden Berliner Familien in Deckung gebracht.
Die Pressefotografen zielten nämlich mit ihren Fotoapparaten inzwischen auf die Gruppe um den Direktor des Pariser Louvre.
„Das könnte denen so passen“, knurrte Herr Latenser. „Die haben wohl Maikäfer im Gehirn. Ich kann meinen Beruf glatt an den Nagel hängen, wenn mein Foto wie ein Steckbrief durch die Zeitungen geht.“ Er tauchte ein wenig nach oben. „Sie erlauben, daß ich mich hinter Ihnen verstecke?“
„Bitte sehr, bedienen Sie sich“, sagte Frau Finkbeiner. „Unsere Rücken stehen zu Ihrer Verfügung.“
„Der Mann mit den abstehenden Ohren, das ist also der echte Inspektor Brown?“ fragte Ulli Wagner neugierig.
„Es sieht so aus“, antwortete Herr Latenser leise.
In diesem Augenblick fing auf dem Kai die Menschenmenge wieder an zu rufen und in die Hände zu klatschen.
„Wirklich ein ganz überwältigender Empfang“, sagte Monsieur Prunelle jetzt schon zum zweiten Mal und blickte dabei möglichst freundlich in die Apparate der Pressefotografen.
„Kein Wunder“, meinte der echte Inspektor Brown aus London. „Seitdem man weiß, daß die Mona Lisa auf die Insel kommt, ist sie hier das Tagesgespräch. Und jetzt noch diese Sensation dazu.“
„Soll das etwa heißen...?“ unterbrach der Museumsdirektor aus Paris und war jetzt gar nicht mehr so freundlich.
„Selbstverständlich haben die Zeitungen den versuchten Raub heute morgen auf der ersten Seite gebracht“, antwortete Inspektor Brown. „Jetzt ist die halbe Stadt auf den Beinen und will das weltberühmte Gemälde mit eigenen Augen bewundern. Das ist für die Ausstellung doch eine ganz fabelhafte Propaganda, finde ich.“
„Finden Sie?“ fragte Monsieur Prunelle ungläubig. „Ja, finde ich auch“, meinte Mister Palmer. „Dazu noch eine, die keinen Dollar kostet.“
„Könnte man nicht für einen Augenblick das Bettlaken von dem gefälschten Bild nehmen?“ fragte jetzt einer aus der Horde der Pressefotografen.
„Und stellen Sie sich bitte daneben, Monsieur Prunelle!“ rief ein anderer.
Einen Augenblick zögerte der Museumsdirektor aus
Paris. Aber dann sagte Mister Palmer: „Ich habe nichts dagegen einzuwenden.“
Und während Monsieur Prunelle jetzt neben der falschen Mona Lisa im Blitzlichtgewitter der Pressefotografen stand, berichtete Herr Latenser hinter den Rücken der Berliner Familien, daß man Mister Wilkinson heute in aller Frühe auf dem Flugplatz in New York verhaftet hatte.
„Und vermutlich wird die Polizei auch eurem Mister Hobbs auf die Finger klopfen, wenn sein Schiff am Mittwoch in Lissabon festmacht“, fuhr Herr Latenser fort. „Aber ich glaube, daß er mit einem blauen Auge davonkommt.“
„Woher wissen Sie denn das schon alles?“ fragte Frau Finkbeiner.
„Vor einer knappen halben Stunde kam ein ellenlanges Fernschreiben von Interpol“, erwiderte Herr Latenser, und dann rief er plötzlich ganz laut: „Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten, meine sehr verehrten Herren von der Presse?“
Die Burschen mit ihren Blitzlichtern und Fotoapparaten drehten sich herum.
„Sie sollten unbedingt auch diese drei Knaben und ihre Eltern fotografieren“, rief Herr Latenser weiter. „Und nicht zuletzt diesen flachsblonden Pagen aus dem Speisesaal. Sie gehören nämlich zu der ganzen Geschichte wie ein Schuh zum anderen. Aber fragen Sie Mister Palmer oder Monsieur Prunelle, die können es Ihnen erzählen.“
Jetzt tauchte der Privatdetektiv wieder blitzschnell hinter die Rücken von Frau Finkbeiner und Herrn Wagner. „Ich verabschiede mich“,
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