Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
weibliche Stimme ein. »Wilfrried, da würde ich eine kombinierte Gesäß-Obärrschänkäll-Unterrschänkäll-Waden-Knie-Fettabsaugung vorrschlagän. Da kriegst du aus jedem Schänkäll sechs Liter raus!« Soviel ich mitgekriegt hatte, gehörte diese Stimme der Gattin des Meisters. Erstens sagte sie Wilfried zu ihm, und zweitens sah sie aus wie Dolly Buster. Auch im Gesicht. Selbst die Lippen waren künstlich aufgeblasen. Ihre Augenbrauen verloren sich irgendwo in Richtung Haaransatz. Außerdem sprach sie wie Dolly Bustäär. Vielleicht war sie es!
Ich rutschte nervös auf meinem Wartezimmersessel hin und her. Mein Gott, war ich tief gesunken. Ich saß tatsächlich bei einem Schönheitschirurgen! Ich, Karla Stein, fast vierzig, geschieden, vier Kinder, eine Schwester.
Einerseits: wie peinlich!
Andererseits: wie unterhaltsam! Zu belauschen, wie das Doktorpaar Dickmadam auszuhöhlen trachtete. Auszuhöhlen, dachte ich und kicherte schäbig in mich hinein. Im wahrsten Sinne des Wortes! Was es nicht alles gibt!
Amüsiert griff ich nach einem Praliné, das auf gläsernem Tischchen zwischen vielen leckeren Schokoriegeln und Toffifees der wartenden Dame harrte. Mit vollem Munde blätterte ich in dem Hochglanzprospekt herum, den Dolly Buster mir überreicht hatte, bevor sie ins Beratungszimmer gegangen war. Neben dem Foto eines Frauenkörpers, der entweder Nadja Auermann oder Claudia Schiffer gehörte (der Kopf war leider abgeschnitten), stand in großen blauen Buchstaben: »Figurkonturierung durch Fettabsaugen in Tumeszenz-Lokalanästhesie.« Toll sah die Auermann-Schiffer aus. Wie einfach das war! Ich packte mir ein krokantiges Nussplätzchen aus. Wozu denn noch fasten, wenn es solche Methoden gibt! Einfach Fett absaugen. Wie Staub saugen.
»Meine Freundin hat gesagt, es können Dellen zurückbleiben«, durchbrach die Frau das arbeitsintensive Schweigen im Nebenzimmer.
»Wir sind in der Lage, mit feinsten Kanülen bildhauerische Feinstmodellierung vorzunehmen, gnädige Frau«, sagte Wilfried zu der Dicken.
»Und – tut das weh?«, fragte die Dame bänglich.
»Wir spritzen Ihnen eine Kochsalzlösung unter die Haut, die sich im Laufe der nächsten Stunde verflüssigt, und dann saugen wir sie zusammen mit den Fettzellen wieder ab.«
»Tja«, sagte die Dame, »ich weiß nicht …«
Schade, dachte ich. Warum ist sie so mutlos und unentschlossen?
»Wirr versätzen Sie gärrne auf Wunsch in Dämmerschlaf«, gurrte Dolly. Ihre Augenbrauen waren jetzt bestimmt unter den Haaransatz gekrochen. »Es gibt abärr auch viele Patientinnen, die wollen zusähen.«
Au ja, au ja. Ich wippte auf meinem Stühlchen hin und her.
»Ach, besser nicht«, wehrte die Dickmadam kleinlaut ab.
»Wir haben hier Färnsäherr und Viddeoanlage und Stärreoanlagge und was immär Sie wünschen.«
Och, dachte ich. Nicht schlecht. Da kann man, während man wie ein Frosch aufgeblasen wird, derweil ein bisschen »Fliege« oder »Meiser« gucken. Und Pralinen reichen sie einem ja auch.
»Und das Resultat?«, fragte die Dame. »Wie sehe ich danach aus?«
»Obwohl die Fettabsaugung nach Tumeszenz-Lokalanästhesie oft zu sensationellen Ergebnissen führt, gnädige Frau, kann man bei Ihnen natürlich nicht erwarten, dass Sie die Gewebekonsistenz einer achtzehnjährigen Twiggy erreichen werden.«
»Und was ist mit der Cellulite? Meine Freundin sagt nämlich, sie hat nach der Operation mehr Dellen gehabt als vorher!«
»Da wird sie bei einem Quacksalber gewesen sein«, sagte Wilfried verschnupft.
»Ja, die war da bei so einem Schönheitschirurgen, den hatte sie vorher bei Vera am Mittag gesehen.«
»Solche Auftritte habe ich nicht nötig«, sagte Wilfried. »Ich gehe nicht ins Fernsehen, und ich inseriere nicht in Zeitschriften.«
»Und was machen Sie dann mit dem Fett?«, fragte die Dame.
»Hier!« Wilfried kramte in einem Wandschrank herum.
Ich hörte ihn klappern. »Anderthalb Liter, anderthalb Liter, anderthalb Liter, anderthalb Liter, ein Liter, ein Liter, ein halber Liter.« Wilfried keuchte leise.
Besorgt reckte ich den Hals. Armer Wilfried. Was tat er da?
»Das hat er alles aus einer einzigen Patientin rrausgeholt«, sagte Dolly Buster stolz.
Ich lugte unfein durch den Türschlitz. Neben dem Meister standen tatsächlich sechs Eimer mit gelblicher Flüssigkeit auf dem Tresen.
»Donnerlüttchen«, staunte die dicke Dame im Slip. Sie drehte mir ihren delligen Hintern zu. Ich überlegte blitzschnell, wie viel Eimer Wilfried allein mit
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