Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0
rumgemöppert und hat sich ab und zu Johanniskrautdragees eingeworfen?› »
Sebastian runzelt die Stirn und legt das Lammkotelett zurück auf die Fleischplatte. «Ich glaube, ich würde das lieber nicht essen. Mach doch mal die Forellen auf den Grill, die ich mitgebracht habe.»
«Woher weißt du denn, dass die glücklich waren?», frage ich.
«Die hat mein Vater selbst gefangen», sagt er. «Aus einem Bach in seiner Umgebung. Die hatten ein absolutes Traumleben in der Natur, waren nie in Gefangenschaft und wurden nicht gequält.»
Jetzt runzle ich die Stirn: «Aber – wenn dein Vater die Forellen nicht umgebracht hätte, würden sie jetzt immer noch fröhlich durch den Bach schwimmen. Ist es nicht viel grausamer, das Leben von glücklichen Tieren zu beenden als das von unglücklichen?»
Sebastian schweigt einen Moment. Dann schiebt er seinen Teller weg: «Ich bin satt.»
Der Abend war gelaufen, und ich stand als gefühlloser Tier-Verächter da. Dabei stimmt das gar nicht. Ich liebe Tiere, ich respektiere Tiere, einige meiner besten Freunde sind Tiere! Okay, ich gebe zu, dass ich jede Wespe, die durch meine Wohnung fliegt, sofort erschlage. Wespen sind für mich keine Tiere, sondern Terroristen. Über Selbstmordattentäter stülpt man ja auch kein Glas und trägt sie nach draußen. Aber ansonsten: «I love animals, olé, olé!»
Deswegen verstehe ich auch jeden, der Tiere schützen will. Ich habe auch nichts gegen Vegetarier. Vegetarier sind super, ich bin selbst mit einem zusammen. Das kann ich nur empfehlen, gerade Fleischessern, denn es hat den großen Vorteil, dass man im Restaurant immer die Speckwürfel aus dem Kartoffelsalat des Partners bekommt. Ich war sogar selbst mal Vegetarier. Meine Eltern hatten nämlich, als ich vierzehn war, einen toten Stallhasen geschenkt bekommen. Mein Vater musste ihn allerdings noch zerlegen, und ich kam genau in dem Moment in die Küche, als er mit einem Beil den Kopf abschlug und das gehäutete Hasen-Haupt blutsprotzend in die Spüle fiel. Danach habe ich mir geschworen, nie wieder Fleisch zu essen. Abends gab es dann Kartoffelsalat mit Speck, und ich war zurück im Club der Fleisch-Fans. Aber in den vier Stunden dazwischen: kein Stück totes Tier!
Sogar Veganer, also Menschen, die auch keine Milch und keine Eier zu sich nehmen, finde ich dufte. Auch wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass der vollständige Verzicht auf tierische Produkte überraschend oft mit einem vollständigen Verzicht auf gute Laune einhergeht.
Aber jemand, der nur Fleisch von «glücklichen Tieren» isst – das hat mich überfordert. Vor allem, weil ich wirklich nicht weiß, woran man das Glück eines Tieres messen soll. Und weil ich die Vorstellung ein bisschen pervers finde, dass zwei Kopfschlächter mit einem Bolzenschussgerät vor einer gutgelaunten Sau mit Partyhütchen stehen und sagen: «Ach guck mal, die ist gut drauf, die knallen wir ab!»
Wenn Sebastian es ernst meinen würde, dürfte er doch nur noch Fleisch von Tieren essen, die ihr ganzes Leben auf einem Wellness-Bauernhof mit Morast-Whirlpool und Huf-Massage verbracht haben und dann an Altersschwäche gestorben sind. Die waren wenigstens bis zum Schluss glücklich. Aber finde mal ein altersschwaches Lamm! Vielleicht muss man da auf suizidgefährdete Exemplare zurückgreifen, die freiwillig aus dem Leben scheiden und vorher noch eine Art Organspendeausweis ausfüllen, welche Fleischstücke ihnen entnommen werden dürfen. Obwohl – wenn sie an Selbstmord denken, sind sie ja wieder nicht glücklich. Es ist ein Teufelskreis!
Mein Lieblingsbeispiel für Tierschutz, der mich nicht wirklich überzeugt, stammt aber aus einer Kölner Boulevardzeitung. In einem großen Artikel über Schnecken im Salatbeet und wie man diese richtig entsorgt, empfahl dort ein Garten-Fachmann: «Auf keinen Fall sollten Sie abgelesene Schnecken in eine Plastiktüte stecken und in den Müll werfen. Sie ersticken so qualvoll.» So weit alles klar, doch dann kam sein Experten-Tipp: «Überbrühen Sie sie stattdessen lieber mit kochendem Wasser.»
Genau. Viel besser. Aber fragen Sie die Schnecken vorher, ob sie glücklich waren!
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DER GENITIV IST DEM STREBER SEIN SEX
Ich saß auf einer Parkbank und kaute an einem Apfel herum. Neben mir saß eine Frau und las ein Buch. «Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod» von Bastian Sick. Als ich fertig war mit meinem Apfel, deutete sie auf den Rest und sagte: «Entschuldigung, darf ich Sie
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