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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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hält, ihr sämtlich untergeordnet sind und stets einen höchsten Willen voraussetzen, der nur durch diese Rechte zur Ausführung gelangt.
    Es läßt sich gar nicht sagen, eine wie große Dunkelheit dieser Mangel an Genauigkeit über die Feststellungen der Schriftsteller auf dem Gebiete des Staatsrechts verbreitet hat, wenn sie nach Maßgabe der von ihnen festgestellten Grundsätze sich über die gegenseitigen Rechte der Könige und Völker ein Urteil erlauben wollten. Aus dem dritten und vierten Kapitel im ersten Buche des von Grotius verfaßten Werkes kann man ersehen, wie sich dieser gelehrte Mann und sein Übersetzer in ihre Trugschlüsse verwickeln und verwirren, aus Furcht, im Hinblick auf ihre Anschauungen zu viel oder zu wenig zu sagen und Interessen zu verletzen, die miteinander in Einklang zu bringen ihre Aufgabe war. Nach Frankreich geflüchtet und mit seinem Vaterlande unzufrieden, will Grotius Ludwig XIII., dem er sein Werk gewidmet hat, den Hof machen und spart deshalb nichts, die Völker aller ihrer Rechte zu berauben, um mit möglichster Geschicklichkeit die Könige damit zu bekleiden. Das wäre auch vollkommen nach dem Geschmacke Barbeyracs gewesen, der seine Übersetzung dem Könige Georg I. von England widmete. Leider nötigte ihn jedoch die Vertreibung Jacobs II., die er Abdankung nennt, auf seiner Hut zu sein, Winkelzüge und Ausflüchte zu machen, um Wilhelm nicht als einen Thronräuber erscheinen zu lassen. Hätten sich diese beiden Schriftsteller die wahren Grundsätze zu eigen gemacht, so wären alle Widersprüche behoben gewesen und sie stets mit sich in Übereinstimmung geblieben; dann wären sie aber freilich in der traurigen Lage gewesen, die Wahrheit sagen zu müssen und sich nur um die Gunst des Volkes zu bemühen. Die Wahrheit führt nicht zu Glücksgütern, und das Volk verleiht weder Gesandtschaften, noch Lehrstühle, noch Gnadengelder.

3. Kapitel
Ob der allgemeine Wille irren kann
    Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, daß der allgemeine Wille beständig der richtige ist und immer auf das allgemeine Beste abzielt; daraus folgt jedoch nicht, daß Volksbeschlüsse immer gleich richtig sind. Man will stets sein Bestes, sieht jedoch nicht immer ein, worin es besteht. Das Volk läßt sich nie bestechen, wohl aber oft hinter das Licht führen, und nur dann scheint es Böses zu wollen.
    Oft ist ein großer Unterschied zwischen dem Willen aller und dem allgemeinen Willen; letzterer geht nur auf das allgemeine Beste aus, ersterer auf das Privatinteresse und ist nur eine Summe einzelner Willensmeinungen. Zieht man nun von diesen Willensmeinungen das Mehr und Minder, das sich gegenseitig aufhebt, [Fußnote: Jedes Interesse, sagt der Marquis d'Argenson in den Considérations sur le gouvernement de la France, ist aus verschiedenen Prinzipien hervorgegangen. Die Übereinstimmung zweier besonderer Interessen geht aus dem Gegensatze gegen ein drittes hervor. Er hätte noch hinzufügen können, daß die Übereinstimmung aller Interessen die Folge des Gegensatzes derselben gegen das eines jeden einzelnen ist. Gäbe es keine verschiedenen Interessen, so würde man das Gemeinschaftliche, das nie Hindernisse fände, kaum wahrnehmen. Alles würde ganz von selbst gehen, und die Politik aufhören, eine Kunst zu sein.] ab, so bleibt als Differenzsumme der allgemeine Wille übrig.
    Hätten bei der Beschlußfassung eines hinlänglich unterrichteten Volkes die Staatsbürger keine feste Verbindung untereinander, so würde aus der großen Anzahl kleiner Differenzen stets der allgemeine Wille hervorgehen, und der Beschluß wäre immer gut. Wenn sich indessen Parteien, wenn sich kleine Genossenschaften zum Nachteil der großen bilden, so wird der Wille jeder dieser Gesellschaften in Beziehung auf ihre Mitglieder ein allgemeiner und dem Staate gegenüber ein einzelner; man kann dann sagen, daß nicht mehr soviel Stimmberechtigte wie Menschen vorhanden sind, sondern nur so viele, wie es Vereinigungen gibt. Die Differenzen werden weniger zahlreich und führen zu einem weniger allgemeinen Ergebnis. Wenn endlich eine dieser Vereinigungen so groß ist, daß sie über alle anderen das Übergewicht davonträgt, so ist das Ergebnis nicht mehr eine Summe kleiner Differenzen, sondern eine einzige Differenz; dann gibt es keinen allgemeinen Willen mehr, und die Ansicht, die den Sieg davonträgt, ist trotzdem nur eine Privatansicht.
    Um eine klare Darlegung des allgemeinen Willens zu erhalten, ist es deshalb von Wichtigkeit,

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