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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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über der Taste auf, und aus einem daneben angebrachten Schlitz schob sich ein Pyrofermstreifen von etwa sieben Zentimeter Länge.
    SIE WERDEN SEIT 20 MINUTEN IM KONFERENZRAUM B/3A ERWARTET.
    Der Admiral legte den Streifen ärgerlich in die Aschenschale und wartete, bis er sich erst schwarz färbte und dann zerfiel.
    Als er sich umwenden wollte, um sein Büro zu verlassen, schlug dem Admiral etwas auf die Schulter, etwas Rotes, wie er flüchtig wahrnahm.
    Der Aufschlag war nicht heftig, doch sofort danach spürte er an der getroffenen Schulter ein grässliches Brennen, das sich über die Haut des gesamten Körpers ausbreitete, als werde er mit flüssigem Blei übergossen. Er brüllte auf, doch bald erstickten seine Schreie gurgelnd in erbrochenem Magensekret.
    Da die Räume des Ministeriums hermetisch voneinander abgeschlossen waren, fand man erst nach Stunden eine aufgedunsene und bis zur Unkenntlichkeit entstellte Leiche.
     
    Leutnant Franzik war vor den Obersten Rat für innere Sicherheit geladen. Er fühlte panische Angst beim Gedanken an das bevorstehende Gespräch mit einem Mann, der sicherlich der wichtigste und mächtigste überhaupt war. Noch stärker als diese Angst war jedoch der berauschende Gedanke, eine unerhörte Chance zu erhalten, eine Gelegenheit, auf die er nie zu hoffen gewagt hätte. Wenn er sich im Fall Mohalja bewähren würde, konnte ihm das sein Degradierungslimit einbringen, jenes Quentchen Sicherheit, um das jeder Mann auf Adapor kämpfte.
    Franzik schüttelte die Gedanken an die Zukunft von sich ab. Das Transportband näherte sich dem Ratspalast. Der Palast war ein uraltes Gebäude, das nachweislich aus der Zeit der ersten Besiedlung stammte.
    Man hatte damals bei wichtigen Gebäuden aus Sicherheitsgründen auf die komplizierten und anfälligen Gravitationsaggregate verzichtet und stattdessen die Schwerkraft durch Fliehkräfte erzeugt. – Der Ratspalast hatte die äußere Form einer Kreispyramide, die sich mit der Spitze nach unten in einem Ölbad drehte. Dieses System war gegen Beeinflussungen von außen oder innen so gut wie unempfindlich. Keine Kraft, die nicht das ganze Gebäude des Ratspalastes vernichtet hätte, wäre je in der Lage, die Bewegung der durch mächtige Kreisel stabilisierten Pyramide zu verändern.
    Franzik wechselte vom Transportband auf die Beschleunigungsringe, die sich nach innen schneller drehten, um sich der Bewegung der Pyramide anzupassen. Beim Eintritt in das Portal erlebte er einen erschreckenden Moment des Gewichtsverlustes, dann war alles wieder normal.
    »Legen Sie Ihre rechte Hand auf die schwarze Identifizierungsplatte in der Mitte der Halle«, befahl die Tonbandstimme des automatischen Pförtners.
    Im Fußboden vor Franzik erschien eine gelbe Linie, die ihn zu der kleinen Säule führte, auf der die Identifizierungsplatte angebracht war. Er legte kurz die Hand auf die Platte, und der automatische Pförtner sagte: »Ich danke Ihnen, Leutnant Franzik! Folgen Sie bitte der gelben Markierung. Der Oberste Rat für innere Sicherheit erwartet Sie.«
    Der Oberste Rat für innere Sicherheit war ein vom Alter gebeugter kleiner Mann. Seine Gesichtshaut schimmerte gelblich und spannte sich straff über Schädelknochen und Jochbein. Um Nase und Mund zogen sich einige scharfe Falten, die dem Gesicht einen wachsamen und zugleich schmerzlichen Ausdruck verliehen. – Seine hellgrauen Greisenaugen musterten aufmerksam und kühl den jungen Offizier, der salutierend vor ihm stand.
    »Nimm Platz, Leutnant!« sagte der Alte mit hoher, fast weibisch klingender Stimme. – Eine faltige, braunfleckige Hand kam unter der Decke hervorgekrochen, die über seinen ganzen Sessel gebreitet war, und diese Hand machte zitternd eine matte, einladende Geste zum gegenüberstehenden Sessel hin.
    »Ich danke Ihnen, Hoheit!« – Der Leutnant verbeugte sich knapp und nahm in dem Sessel Platz. Die kühlen Augen des Obersten Rates verfolgten jede seiner Bewegungen.
    Den ganzen Tag hatte der Alte die Personalakten aller jungen Polizeioffiziere studiert, und es war nur dieser eine übrig geblieben. Nur dieser eine verfügte über keinerlei Protektion, schien tüchtig genug zu sein und ehrgeizig.
    »Ich nehme an, Leutnant, dass du weißt, was geschehen ist? -  Solche Dinge zu wissen, ist schließlich dein Beruf!«
    Deutlich hörte Franzik den lauernden Unterton heraus und antwortete darum zurückhaltend:
    »Gewiss, Hoheit! Aber was ich bisher weiß, ergibt noch kein Bild. Ich bin erst vor 30

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