Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Wie Zahlen wirken
Man sollte misstrauisch werden, wenn Menschen einem weismachen wollen, man könne mit Zahlen Spaß haben. Oft sind es dieselben, die behaupten, man könne auch ohne Alkohol fröhlich sein: Pädagogen und selbst ernannte Pädagogen. „Kein Schulfach ist so am Ende wie die Mathematik“, schreibt das SZ-Magazin im Juni 2011. Nie waren Mathestunden unbeliebter. Und im richtigen Leben pflanzt sich das fort: Das Klischee vom Zahlenfresser, neudeutsch „number cruncher“, als anämischem Nerd ohne eigenes Sozialleben kommt ja nicht von ungefähr. Excel-Tabellenkalkulationen sind die Hölle und Sudokus, seien wir ehrlich, eine der ödesten Freizeitbeschäftigungen, die man sich vorstellen kann. Es gibt genügend andere Dinge auf der Welt, die Spaß machen. Und das Leben ist zu kurz, um sich mit mathematischen Spitzfindigkeiten herumzuschlagen.
Wenn auch Sie bei Zahlen rotsehen und abschalten, sobald sie in Kolonnen auf dem Papier auftauchen: Willkommen im Club – und in diesem Buch! Wir behaupten gar nicht erst, dass Zahlen per se gute Laune verbreiten würden. Wir wollen vielmehr den Beweis antreten, dass Zahlen nützlich sind. Und dass man ein paar nützliche Dinge über Zahlen wissen kann, die rein gar nichts oder nur entfernt mit Mathematik zu tun haben. Gleichzeitig ist Zahlenwissen exzellentes Partywissen. Kleine Geschichten und urbane Legenden, die sich um Zahlen und Zufälle ranken, üben eine faszinierende Sogwirkung aus, und die Grenzen zum numerologischen Aberglauben sind fließend. Fast jeder hegt seine private Metaphysik der Zahlen. So legen wir uns die Welt zurecht.
Im Alltag gehen normale Menschen anders mit Zahlen um als Mathematiker. Und menschliche Gehirne verarbeiten Zahlen nicht wie ein Computer. Für beide – Mathematiker wie Computer – sind alle Zahlen mehr oder weniger gleich. Auf unserem Zahlenstrahl im Kopf aber sind manche Zahlen gleicher als andere. Bestimmte Punkte bilden Gravitationszentren und haben eine besondere Bedeutung. Wir glauben zu wissen, dass aller guten Dinge drei sind, dass Ehen imverflixten siebten Jahr auseinanderbrechen und dass 13 keine gute Größe für eine Tischgesellschaft ist.
Aber wieso verschenkt man große Blumen nur in ungerader Anzahl? Weshalb sind die 7 und die 19 beim Lotto besonders beliebt? Warum kaufen wir eher Marmelade, wenn wir die Wahl aus sechs Sorten statt aus 15 haben? Wieso sind 2.200 Euro ein besserer Preis für ein Kunstwerk als 1.800 Euro? Weshalb machen sieben Mitglieder ein ideales Projekt-Team aus? Warum entspricht ein DIN-A4-Blatt nicht dem Verhältnis des Goldenen Schnitts? Und wieso können wir nie mehr als 150 „echte“ Freunde haben, selbst wenn auf Facebook eine größere Zahl angezeigt wird? Anders gefragt: Welche Mechanismen liegen unserem eigenwilligen und scheinbar irrationalen Umgang mit Zahlen, Mengen, Größen, Proportionen und Preisen zugrunde?
Zahlen und Zahlenverhältnisse haben eine psychologische Wirkung, ähnlich wie Farben, Formen und Töne. Wie der jeweilige Kulturkreis das Gefühl bestimmt, welche Tonleitern und Klangfolgen als harmonisch empfunden werden, so ist er auch dafür verantwortlich, dass wir bestimmten Zahlen gegenüber alles andere als indifferent sind. Diesseits der abstrakten Ebene der Mathematik liegt das Reich der psychologischen und anthropologischen Zahlen, in dem ganz eigene Gesetze gelten. Gesetze, die sich im Laufe der Evolutions- und Kulturgeschichte herausgebildet haben und die auch heute noch Entscheidungen beeinflussen, Orientierung stiften und unsere Ideen von Harmonie und Schönheit prägen.
Die Quellen für diese symbolische Aufladung sind mannigfach. Einiges lässt sich am menschlichen Körper und den darauf basierenden archaischen Zählsystemen festmachen. Vieles speist sich aus religiösen Vorstellungen, die wiederum nicht selten ihren Ursprung in der frühen Astrologie und Kosmologie haben. All diese Zutaten, kulturellen Assoziationen und Aufladungen sind noch als Spurenelemente vorhanden. Sie finden sich im Rechtssystem, in der Wirtschaft, in Kunst und Kommunikation. Um zu verstehen, wie Zahlen wirken, gilt es zu begreifen, dass unser alltäglicher Umgang mit ihnen auf einer Ursuppe aus religiöser Symbolik, numerologischer Mystik und Bruchstücken sedimentierten Wissens vergangener Jahrhunderte treibt.
Wenn wir der Symbolkraft der Zahlen auf den Grund gehen wollen, müssen wir zurückgehen zu den Anfängen der abendländischen Philosophie im antiken Griechenland
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