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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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wissen?«
    »Ich stehe in engem Kontakt mit den Dompredigern, die wiederum tauschen sich mit den Ratsmitgliedern aus, und der Rat arbeitet mit dem Stadtkommandanten Falkenberg zusammen. Es heißt, daß es das vorrangige Ziel der Schweden sei, den Feind möglichst lang an Magdeburg zu binden, um Tillys Strategie zu stören und die eigenen Operationspläne entfalten zu können. Zudem befindet sich König Gustav Adolf in schwierigen Verhandlungen mit den Fürsten von Sachsen und Brandenburg. Es ist anzunehmen, daß er Magdeburg als Druckmittel benutzt, um die Potentaten in ein Bündnis zu zwingen.« Sebastian rieb sich angestrengt über die Stirn. Ihm war die Verzweiflung am Gesicht abzulesen. »Aber das ist leider noch nicht alles.«
    »Schlimmer kann es doch überhaupt nicht mehr werden.«
    »O doch! Martin, du hättest Magdeburg mit Sophia verlassen sollen, solange noch die Möglichkeit dazu bestand. Unser Onkel in Oschersleben hätte euch gewiß in sein Haus aufgenommen.«
    »Die Stadt im Stich lassen? Das würde ich niemals über mich bringen.«
    »Magdeburg wurde bereits aufgegeben. Die Stadt ist dem Untergang geweiht. Falkenberg weiß, daß die Stadt Tillys Heer, selbst in diesem Zustand, in einer Entscheidungsschlacht unterlegen wäre.« Sebastian zögerte. »Was ich dir nun sage, ist nur für deine Ohren bestimmt. Du wirst es an niemanden weitergeben. Selbst Sophia darf es nicht erfahren.«
    Martin nickte.
    »Ist dir aufgefallen, daß bereits seit mehreren Tagen keine Kanonen mehr von den Wällen abgefeuert werden?«
    Martin nickte wieder, obschon ihm erst in diesem Augenblick klarwurde, daß das Geschützfeuer der Magdeburger Verteidiger tatsächlich verstummt war.
    »Ich habe es mir angewöhnt, sehr früh aufzustehen und durch die Straßen zu laufen«, sagte Sebastian. »Denn trotz oder gerade wegen der Dunkelheit kann man in der Nacht vieles beobachten, was einem am Tage verborgen bleiben soll.«
    »Und was hast du gesehen?«
    »Männer der Schiffergilde, die auf ihren Wagen Dutzende Fässer transportierten und diese an mehreren Plätzen in der Stadt vergruben oder sie in die Keller der Häuser schafften. Ich hielt mich in einer Gasse versteckt und lauschte. Die Männer sprachen selten miteinander, aber einige Male schnappte ich die Worte ›Minen‹ und ›Pulver‹ auf.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Ich vermute, daß Falkenberg das Feuer der Geschütze nicht aus Mangel an Pulver einstellen ließ, sondern um in Magdeburg Sprengfallen anzulegen, welche die Kaiserlichen in die Hölle schicken sollen, falls sie in die Stadt eindringen.« Einen Moment lang breitete sich drückende Stille zwischen ihnen aus, dann fügte Sebastian an: »Gustav Adolf wird Tilly keine Basis hinterlassen.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein«, brachte Martin hervor, der das Gefühl hatte, daß ihm der Atem knapp wurde. »Magdeburg ist eine Bastion des lutherischen Glaubens. Es käme einer Blasphemie gleich, die Stadt im Feuer untergehen zu lassen. Solch eine Sprengung würde vor allem das Leben der Bürger gefährden. Himmel, Sebastian, in dieser Stadt harren dreißigtausend Menschen aus.«
    »Glaub mir, ich wäre froh, wenn sich meine Befürchtung als Irrtum herausstellen sollte.«
    »Es kann nicht sein«, sagte Martin. »Wahrscheinlich vergraben sie das Pulver nur, damit es den Kaiserlichen nicht in die Hände fällt. Vielleicht ist es wahr, daß der schwedische König diese Stadt tatsächlich als Pfand für seine Verhandlungen nutzt, aber du wirst sehen, wenn der Druck der Belagerung zu groß wird, legen die Schweden das Schicksal Magdeburgs in die Hände der Diplomaten.«
    Sebastian lächelte gequält. »Vater und du, ihr habt schon immer gern Illusionen nachgehangen. Ihr wolltet diesen Krieg nie als das begreifen, was er wirklich ist: ein zerstörerisches, außer Kontrolle geratenes Monster.«
    Sie lehnten am Geländer und verfolgten mit, wie vom gegenüberliegenden Elbufer aus ein Geschoß abgefeuert wurde, das jedoch zu kurz schoß und die Kugel im Flußbett versenkte.
    »Du übertreibst«, meinte Martin.
    »Unser Vater wollte die Welt immer nur so sehen, wie er sie sich zurechtgelegt hatte. Warum denkst du, hat er niemals akzeptiert, daß sich das Handwerk der Kunstverglasung im Niedergang befindet?«
    »Gewiß, die Geschäfte waren schon einträglicher, aber …«
    »… aber der Krieg wird noch lang andauern, und wer will in diesen Zeiten, unter dem Donner von Kanonen, schon das Risiko eingehen, seine Fenster mit

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