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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
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geräumigen Tempels. Mit feierlichem Gebrauche verrichtete er das Amt der Eröffnung, und nach Vollendung des Morgenopfers holte er Bücher aus dem Allerheiligsten hervor, welche mit unbekannten Charakteren beschrieben waren. Sie enthielten gewisse Formeln, welche teils durch die sinnbildliche Bedeutung von allerhand Tierfiguren, teils durch verschränkte, nach Art eines Rades gewundene oder wie die Gabelungen der Weinreben sich ringelnde Züge vor dem Verständnis jedes vorwitzigen Unheiligen gesichert waren. Hieraus las er mir alles vor, was ich zur eigentlichen Einweihung vorzubereiten und anzuschaffen hätte.
    Alsofort kaufte ich aufs geflissentlichste und reichlichste alles Nötige teils selbst, teils durch meine Bekannten zusammen.
    Wie es endlich, nach des Hohenpriesters Angabe, die Zeit erforderte, so führte er mich, vom ganzen Priesterschwarme begleitet, in das nächste Bad. Erstlich mußte ich mich nach gewöhnlicher Weise baden, darauf hielt er ein Gebet über mich, besprengte mich über und über mit Weihwasser und reinigte mich.
    In den Tempel zurückgekehrt, ließ er mich, da schon zwei Teile des Tages vorüber waren, zu den Füßen der Göttin hintreten, und nachdem er mir insgeheim gewisse Aufträge erteilt hatte, die ich zu verschweigen habe, so gebot er mir endlich ganz laut, daß es alle Anwesenden hören konnten: zehn Tage lang der Werke der Venus mich zu enthalten und weder Fleischspeisen zu essen noch Wein zu trinken.
    Ich erfüllte diese geheiligten Vorschriften mit aller Gewissenhaftigkeit.
    Nun war der Tag der Einweihung da. Sobald sich die Sonne gen Abend neigte, flossen von allenthalben her die Leute zusammen und verehrten mir, nach altem gottesdienstlichen Brauche, allerhand Geschenke. Darauf mußten sich alle und jegliche Profanen entfernen. Ich wurde mit einem groben, leinenen Gewande angetan, und der Hohepriester führte mich bei der Hand in das innerste Heiligtum des Tempels ein.
    Vielleicht fragst Du hier neugierig, geneigter Leser, was nun gesprochen und vorgenommen worden? – Wie gern wollte ich's sagen, wenn ich es sagen dürfte! Wie heilig solltest Du es erfahren, wenn es Dir zu hören erlaubt wäre! Allein Zunge und Ohr würden gleich hart für den Frevel zu büßen haben!
    Doch es möchte Dir schaden, wenn ich Deine fromme Neugier so auf die Folter spannte; so höre denn und – glaube, traue! es ist wahrhaftig.
    Ich ging bis zur Grenzscheide zwischen Leben und Tod. Ich betrat Proserpinens Schwelle, und nachdem ich durch alle Elemente gefahren, kehrte ich wiederum zurück. Zur Zeit der tiefsten Mitternacht sah ich die Sonne in ihrem hellsten Lichte leuchten; ich schaute die unteren und oberen Götter von Angesicht zu Angesicht und betete sie in der Nähe an.
    Siehe! Nun hast Du alles gehört: aber auch verstanden? Unmöglich! So vernimm wenigstens, was ich ohne Sünde Dir Laien verständlich machen kann!
    Erst gegen Morgen war die Einweihung vollendet. Ich hatte während derselben zwölfmal die Kleidung verändert und ging endlich aus dem Innersten des Tempels in einem Aufzuge hervor, der zwar auch mystisch war, von dem aber kein Gesetz verbietet, ganz frei zu reden; da mich darinnen sogar sehr viele Anwesende gesehen haben.
    Mitten in dem Tempel mußte ich vor der Göttin Ebenbild auf eine hölzerne Bank hintreten. Mein Leibrock war von Kattun, mit bunten Blumen bemalt, und von den Schultern herab bis zu den Fersen fiel mir ein köstlicher Mantel, auf dessen beiden Seiten allerhand Tiere von verschiedenen Farben zu sehen waren: hier indische Drachen, dort hyperboreische Greifen in Löwengestalt, aber mit Adlerköpfen und Flügeln, wie sie die andere Welt hervorbringt. Bei den Eingeweihten heißt dieser Mantel die olympische Stole.
    Ich führte eine brennende Fackel in der rechten Hand und war mit einem Kranze von Palmblättern geziert, die so geordnet waren, daß sie um mein Haupt gleich Strahlen herumstanden.
    So als Bild der Sonne ausgeschmückt, stand ich gleich einer Bildsäule da. Ein Vorhang öffnete sich und zeigte mich den neugierigen Blicken des Volkes.
    Hierauf beging ich den erfreulichen Entstehungstag der Mysterien mit leckern und fröhlichen Gastmählern. Am dritten Tage aber wurde, den heiligen Satzungen gemäß, mit allerhand Feierlichkeiten der Beschluß der Schmausereien und der ganzen Einweihung gemacht.
    Noch einige Tage blieb ich da, mich mit unsäglicher Wonne am Anblick des Götterbildes zu weiden. Ich war durch eine zu unvergeltbare Wohltat

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