Im Schloss der Leidenschaft
PROLOG
August
„Natürlich haben wir Luc nicht bestochen, dich zu heiraten!“, protestierte Sarah Dyer steif. „Auch wenn ich zugeben muss, dass es einen gewissen finanziellen Anreiz gab.“
„O Gott.“ Während Emily eine Welle von Übelkeit erfasste, wandte sie sich von ihrer Mutter ab.
Seit Jahren verbrachte Sarah jeden Sommer ein paar Wochen bei Freunden in Hampstead, und obwohl Mutter und Tochter sich nie sonderlich nahegestanden hatten, war sie die Erste, an die Emily sich in ihrer Not klammerte. Doch anstatt Mitgefühl zu zeigen, versetzte Sarah der Ehe ihrer Tochter unbewusst den Todesstoß. Unter diesen Umständen konnte Emily unmöglich bei Luc bleiben.
„Liebling, du musst begreifen, dass sich ein Jean-Luc Vaillon von anderen Männern unterscheidet. Du häufst kein millionenschweres Vermögen an, wenn du nicht über eine gewisse Rücksichtslosigkeit verfügst, und dein Mann ist nun mal zuallererst ein Geschäftsmann.“
„Das weiß ich“, murmelte Emily dumpf. Es musste sie wirklich niemand daran erinnern, wie sehr Luc für seine Arbeit lebte. Sie wäre ja sogar bereit, die unzähligenGeschäftsreisen und endlos langen Stunden, die er in seinem Arbeitszimmer verbrachte, hinzunehmen, wenn nur die geringste Hoffnung bestand, dass er sie liebte.
„Liebling, das Problem mit dir ist, dass du furchtbar romantisch bist“, fuhr Sarah fort, als sie das blasse Gesicht ihrer Tochter sah. „Es kann ja sein, dass Luc eine kleine Affäre mit seiner Assistentin hat, aber du bist seine Ehefrau, und es liegt in jedermanns Interesse, dass das so bleibt. Eine Schwangerschaft kann eine Ehe stark belasten“, fügte sie mit einem Blick auf Emilys gewölbten Bauch hinzu, „und um ganz offen zu sprechen, ich nehme an, dass dein Gatte ein sehr viriler Mann ist. Wenn das Kind erst einmal da ist, wird sich alles wieder normalisieren, du wirst schon sehen.“
Aber was bedeutete schon normal, fragte sich Emily düster während ihres Spaziergangs durch die blühende Heide, nachdem sie ihrer Mutter versichert hatte, dass sie nichts Unüberlegtes tun würde. Sehr schnell hatte sie erkannt, dass sich ihre Rolle in Lucs Leben fast ausschließlich auf das Schlafzimmer beschränkte. Die starke sexuelle Anziehungskraft, die vom ersten Tag ihrer Begegnung an zwischen ihnen existierte, war und blieb ihre einzige wirkliche Form der Kommunikation. Bei beiden loderte die Leidenschaft gleichermaßen heftig, doch ohne sie waren sie nichts.
Heute genossen viele Spaziergänger die schöne Heidelandschaft. In der Luft lag helles Kinderlachen, da auch etliche Familien die schöne Spätsommersonne nutzten. Als Emily einen Mann beobachtete, der mit seinem Sohn einen Drachen steigen ließ, schnappte irgendetwas in ihr zu, und ein tiefes Stöhnen, wie von einem verwundeten Tier, löste sich aus ihrer Brust. Rasch presste sie die Hand auf den Mund, als könne sie das Geräusch so zurückdrängen. Sie durfte jetzt nicht zusammenbrechen– nicht hier, aber ihre Beine gaben nach. Während sie auf eine Bank sank, um sich auszuruhen, stellte sie sich der Erkenntnis, dass ihr Sohn niemals ein so harmloses Vergnügen mit seinem Vater teilen würde.
Natürlich könnte sie bleiben, trotz seiner Untreue. Um ihres ungeborenen Kindes willen könnte sie sich blind stellen. Doch Luc wollte ihr gemeinsames Kind ebenso wenig wie er sie wollte. Sein völlig entsetzter Blick, als er von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, verfolgte sie noch immer, und die Kälte, mit der er ihr seitdem begegnete, verstärkte nur Emilys Gewissheit, dass er ihre Ehe längst als Fehler betrachtete.
Wie lange die Affäre mit seiner persönlichen Assistentin wohl schon dauerte, fragte sich Emily bedrückt. Seit fünf Jahren arbeitete Robyn Blake jetzt schon für ihn, und von Anfang an hatte sie keine Gelegenheit ausgelassen, um die besondere Beziehung zwischen Luc und ihr zu betonen. Sie war die Witwe seines Bruders, nicht nur eine Angestellte. Seit Emily die offensichtliche Zuneigung zwischen den beiden wahrgenommen hatte, litt sie unter Eifersucht. Doch nun hatte sie den unwiderlegbaren Beweis, dass Robyn Lucs Geliebte war. Noch nie in ihrem Leben hatte Emily sich so betrogen gefühlt.
Was ist mit deinem Baby, schaltete sich ihr Verstand ein. Als die Ultraschalluntersuchung ergab, dass sie einen Jungen erwartete, wurde ihre Freude dadurch überschattet, dass Luc nicht an ihrer Seite war. Von all seinen Verletzungen kränkte sie diese am meisten. Es interessierte ihn
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